Querständige Liebeserklärung
SCHÖPF / PLATZKONZERT
09.02.2010 Als "Essay mit Erinnerung" bezeichnet der Autor, Journalist und Musiker Alois Schöpf seine schräge Liebeserklärung an die Musik: "Platzkonzert".Von Gottfried Franz Kasparek
Das Buch ist eine wilde, anregende, frank und frei geschriebene Erzählung. In der Hauptsache geht es um des Autors Jugendtage in einer sehr traditionsbehafteten Umwelt, einem Wirtshaus im Tirolischen mit zünftiger Blasmusik. Das ist so prägnant und erfrischend erzählt, die Waage haltend zwischen harter Kritik an den Zuständen und stets spürbarer Zuneigung zu den Mitmenschen und zu echten Traditionen, dass man sich einen längeren Lebensbericht wünscht. Die sexuellen Irrungen und Wirrungen kommen dabei nicht zu kurz, schon gar nicht die im kirchlichen Knabeninternat.
Eingebettet sind diese memoirenhaften Teile aber in eine faszinierend räsonierende essayistische Suada über die Musik. Alois Schöpf liebt klassische Musik und Volksmusik. Wenn er berichtet, dass er schon als Bub im Radio Klassik hörte, begleitet vom Unverständnis der Schulkollegen und der Familie, fühlt sich wohl so mancher Leser lebhaft an eigene Erfahrungen erinnert. Wenn er richtig loslegt, dann schont er keine heiligen Kühe. Selbst wenn Schöpf mitunter hemmungslos übertreibt, immer steckt ein bedenkenswerter wahrer Kern in seinen radikalen Meinungen.
Mit der groß geschriebenen Neuen Musik hat es Schöpf nicht unbedingt, eher schon mit gutem Jazz. Sogar wenn man ihm nicht in aller Konsequenz in seiner nahezu völligen Verdammung der Popkultur folgen kann: Es steckt schon Wahres drin, dass die Ohren vieler Menschen heutzutage durch das ständig in sie fließende rhythmische Gehämmer verdorben werden. Und man sollte wirklich nicht aus "hochkultureller Erhabenheit" auf das Wirken einer bodenständigen Blasmusikkapelle herabschauen - was freilich auf für eine gute Rockband gelten müsste. Insgesamt ist "Platzkonzert" ein aus tiefstem Herzen geschriebenes, oft diskutierenswertes, immer direkt anrührendes und oft höchst amüsantes Plädoyer für die Qualität und für die Menschlichkeit in der Musik.
Alois Schöpf, zuletzt in Salzburg als Textdichter der Oper "Die Sennenpuppe" von Ernst Ludwig Leitner präsent, hört es nicht gern, wenn man ihn als Tiroler Dichter oder so bezeichnet - dazu empfindet er sich wohl als zu quer- und eigenständig. Aber auch das hat ja Tradition im Bergland, man denke bloß an den Kabarettisten Otto Grünmandl oder den Zeichner Paul Flora. Gebürtiger Tiroler ist Schöpf jedenfalls und lebt in Innsbruck, wo er seit langer Zeit auch als Klarinettist, Blasmusikkapellmeister und künstlerischer Leiter der Promenadenkonzerte aktiv ist. Also ein echtes "Multitalent".