Immer wie das!
GEORGES PRÊTRE
31/12/09 Morgen, Freitag (1.1.) steht Georges Prêtre zum zweiten Mal am Pult des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker. Dem 85jährigen hat der Styria Verlag ein Buch gewidmet.Von Reinhard Kriechbaum
"Eigentlich verwendet er nur zwei Phrasen. Die eine lautet: Immer wie das. Die kommt öfter ... Im übrigen singt und tanzt er uns die Musik vor. Das macht er wunderbar." Das ist eine Erinnerung von Kurt Schwertsik, der als Hornist bei den Wiener Symphonikern reiche Erfahrung mit Georges Prêtre gesammelt hat - auch damit, dass der Maestro gelegentlich auch unmissverständlich vorschreibt: "Niemals wie das!" Zwei Sätze, die im Prinzip das unterstreichen, was viele Musiker-Weggefährten an dem Dirigenten schätzen: Er macht nicht viele Worte, er vermittelt und interpretiert die Musik suggestiv mit Charme und Temperament. Die Philharmoniker berichten, dass Prêtre neuerdings eher zwischen "Ich liebe dich" und "Ich liebe dich nicht" wechselt.
"Wenn man zuviel erklärt, kann das auf Kosten einer tieferen Wahrheit gehen", so Prêtre gegenüber den Autoren Michaela Schlögl und Wilhelm Sinkovicz. Und was das Polyglotte angeht im Walzertakt, Offenbach, Ravel, Schubert oder Strauß: Prêtre beherrsche die unterschiedlichen Verwandlungen der drei Viertel "in allen Sprachen souverän" heißt es. Und der Dirigent über sich: "Ich wechsle nicht das Tempo, sondern den Esprit des Tempos."
Das Intuitive in der Arbeit mit Georges Prêtre zieht sich durch die Statements von Orchestermusikern, die in dem Band zu Wort kommen. Rainer Bischof, der langjährige Generalsekretär der Wiener Symphoniker: "Prêtre ist vielleicht die glückhafteste Begegnung mit dem Leben, die sich denken lässt. Er verkörpert das pralle Leben, das die Freude am Leben weitergibt."
Kein Zufall also, dass Prêtre zum Lieblingsdirigenten von Maria Callas geworden ist (der auch ihre letzte Opernvorstellung, eine "Tosca" 1965 in London, geleitet hat). Das ist natürlich ein Kapitel, das posthume Adabeis zufrieden stellt.
Aber aus aktuellem Anlass - morgen ist ja Neujahrskonzert - zurück zum Liebhaber der Leichten Muse: Unter dem Pseudonym Georges Dhérain war Prêtre in den frühen fünfziger Jahren Operettenkapellmeister in Toulouse. Den Namen zu verbergen schien ihm sinnvoll, um vorschneller Etikettierung zu entgehen. Auch kompositorisch war der ominöse Herr Dhérain in dem Metier tätig. Jahrzehnte später in Wien durfte er dann sein Dreivierteltakt-Faible auch bei den Wiener Symphonikern ausleben. Als "Erster Gastdirigent" der Symphoniker ("Chefdirigent" wollte er nicht werden) hat Georges Prêtre das traditionelle Osterkonzert "Frühling in Wien" dirigiert". Zwei Mal, 1996 und 2006, hat Prêtre den Philharmoniker-Ball dirigierend eröffnet. Beide Wiener Orchester haben wohl begründetes viel Zutrauen zu ihm, wenn es um den Walzer geht.