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Ein ganzer Weltvorrat

BUCHBESPRECHUNG / PITZKE / DER SOMMER, IN DEM FOLGENDES GESCHAH

14/05/10 Der Sommer kündigt sich an und was als "Folgendes geschah", ist nichts weniger als Poesie in Prosa. Hora ist ein Mann, wie Malina. Und:  „Es stimmte alles, denn Hora meinte, was er sagte."

Von Heidemarie Klabacher

Das sollte man wissen. Vielleicht auch noch, dass Hora Rabenforscher ist und Ellen Notenarchivarin. Nicht übersehen werden sollte, dass „Ja, zweifellos“ die korrekte Antwort ist auf die Frage der Nachbarin bei den Briefkästen „Ist es nicht schrecklich?“ Wer das bachte, verrät Christine Pitzke gleich auf der ersten Seite, „konnte mit Frau Meyer gut zurechtkommen, an ihr rasch vorbeikommen“. Dabei hat sie ihr Abendkleid an und ihr Samt-Täschchen neben sich, wenn sie vor dem Fernseher sitzt und eine Oper anschaut. „Hora fand, er durfte sich da nicht einmischen.“

Selten einmal hat man in den letzten Jahren Menschen in einem Buch (und man begegnet in diesem Beruf nicht wenigen) so spontan - quasi auf den ersten Blick - ins Herz geschlossen, wie Hora und Ellen. „Ellen war so eine Verschwindende, manchmal saß sie still, wenn er sie weit weg vermutete und knüpfte unvermittelt an etwas lange zuvor Geschehenes an.“ Sie mag weiße Vorhänge, die in Wind und Regen zwischen drinnen und draußen flattern. Und was sie grad' macht, ist immer das jeweils Wichtigste in ihrem Leben: "So wie ihr Sohn der wichtigste Mensch war, wenn er gerade anrief, und Hora der Wichtigste, wenn er sie berührte, wenn sie redeten, wenn sie zusammen waren.“

Vorzustellen ist jetzt noch Frau Schmitt, und diese schenkt Hora und Ellen zuerst ein Barometer, dann Christbaumkugeln und zahlreiche Bücher, Shakespeare in sechs Bänden etwa, oder ein Wörterbuch Hebräisch, Aramäisch, Arabisch. „Nagelbach“ lautet der Besitzvermerk, aber das geht in anderer Aufregung zunächst noch unter: Ellen wird Großmutter, am 10 Juni: „Diese Nachricht gab den Wintertagen eine besondere Farbe, eine neue Grundierung, einen Wechsel der Tonart.“ … „Instinktiv zählte Ellen nun nicht die Kalenderwochen, sondern Schwangerschaftswochen und wurde in diesem Winter ein wenig dick.“

Doch dann schlägt Hora doch das Wörterbuch mit den Orientsprachen auf - und was beginnt, ist nicht nur ein Abenteur im Kopf.

Man möchte von diesem Buch viel lieber erzählen, es keineswegs nicht „besprechen“, was ja ohnehin nach gemurmelten Zaubersprüchen klingt. Und schwafeln, nach Kritiker-Schema „F“ schwafeln müsste man ohnehin: on einfach gebauten, klaren Sätzen, die aber doch wie Luftgondeln oder Ballone abheben und Wüsten und Ozeane überschiffen. Oder von einer Erzählhaltung, die gar nichts „auktoriales“ an sich hat, weil die Autorin ihren Figuren durchs offene Fenster einfach beim Leben zuschaut…

Ja und kitschig ist es auch nicht, bei allem Glück in Orient und Okzident und Frankreich. Eher gelegentlich ein wenig ironisch. Wie Christine Pitzke etwa über das Hotel sagt, in dem Hora und Ellen wohnen, bis das eigene Haus im neuen Leben fertig ist: „Es war eines jener Häuser, von denen in den Prospekten stand: ‚Wie aus einer anderen Zeit’. Und das hieß zum Bespiel: kein Bad im Zimmer.“

Christine Pitzke: Der Sommer, in dem das folgende geschah. Roman. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2010. 202 Seiten, 19,80 Euro.

 

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