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Hubert, jetzt sag was!

BUCHBESPRECHUNG / SCHLEMBACH / DICHTERSGATTIN

27/03/17 Eine Frau, die sich zur Muse berufen fühlt. Ein Mann, der sich weigert, sie zu einer zu machen. Und eine Ehe, die so lieblos endet, wie sie beginnt. Mario Schlembachs „Dichtersgattin“ erzählt von Verblendung, Hochmut und einem verschwendeten Leben.

Von Christina König

Hedwig hat es nicht leicht. Als Tochter eines alten Nazis und einer Landadeligen, deren Herz fürs Burgtheater schlägt, weiß sie ganz genau, wo ihr Platz im Leben ist: an der Seite eines Dichters. Und nicht einfach irgendeines Dichters, schon gar nicht eines bloßen Autoren oder Schriftstellers, nein, sondern eines Dichters, dessen Name in einem Atemzug mit Goethe und Schiller genannt werden wird. „Ich war zur Muse bestimmt!“ Das wird Hedwig beim Anblick von Alma Mahler unmissverständlich klar.

Auf einem Dorffest in der von ihr verhassten Provinz findet sie tatsächlich den Mann, der ihr diese schillernde Zukunft ermöglichen soll: Hubert, der zwar ein ungebildeter Rüpel ist, Dialekt spricht und am liebsten Speck isst, dessen Sprache aber eine so natürliche, unverbrauchte Kraft besitzt, dass Hedwig ihn sofort unter ihre Fittiche nimmt. Sie rettet ihn aus der Provinz, bringt ihn nach Wien und führt ihn an die Hochkultur heran, ständig in der Erwartung, er möge ihr endlich das Werk schenken, das sie zur bewunderten Muse macht.

Da gibt es nur ein Problem – es kommt nie.

Mario Schlembach lässt seine inzwischen neunzigjährige Heldin ihre Geschichte selbst erzählen: Anlässlich des jährlichen Besuchs der Biennale in Venedig empört sich Hedwig so sehr über die nichtige Kunst, dass sie in einen langen Monolog verfällt. Er ist an Hubert gerichtet, aber Hubert versinkt immer mehr in Schweigen. „Hubert, jetzt sag was!“, fordert Hedwig ihn immer wieder auf. Aber Hubert bleibt stumm. Und so ist es Hedwig überlassen, Worte zu finden, Worte, um das Nichts auszufüllen, das Huberts fehlende Dichtung, die fehlende Kunst im Österreich-Pavillon und der fehlende Sinn ihres Lebens hinterlassen.

Schlembach trifft perfekt den Ton einer alten Dame, die selbstgefällig nicht nur über ihren Mann, sondern auch über den Verfall der Wiener Kultur stänkert: Ihr „Burgtheatergehör“ müsse sich die Geistlosigkeiten der Politiker gefallen lassen, der Prater verkomme zum Spiegeltrickkabinett für Sozialschmarotzer und die neuen Burgtheaterspieler hätten alle Juckpulver im Arsch. Niemand bleibt unverschont; auch Handke, Bernhard und Mann bekommen ihre Seitenhiebe ab. Aber Hedwigs größte Enttäuschung ist ihr Mann, der ihr die Schande bereitet, nicht nur kein Werk für sie zu schreiben, sondern sich noch dazu berufen fühlt, Bestatter zu werden, von Friedhöfen besessen ist und all sein Schreiben darauf verschwendet, eine Formel für den idealen Zeitpunkt eines Begräbnisses zu entwickeln. Schlembach schlägt einen weiten Bogen: Vom Zentrum der Handlung aus, in dem eine verkannte Muse und ein fehlgeleitetes Leben stehen, arbeitet er sich vor zum Verfall der Wiener Kultur, zum Leben in der Provinz, zum Bestattungswesen und zu den Verbrechen des Nazi-Regimes, die Hubert zum ersten Kontakt mit dem Tod geführt haben. Dabei wird der Bogen nie überspannt; immer wieder schafft Schlembach den Bezug zu seinen Protagonisten.

Manche Passagen haben ihre Längen, manche von Hedwigs Beschwerden ermüden durch ihre Wiederholungen, aber dennoch kann man als Leser nicht anders, als mit ihr mitzufühlen, so sehr man ihr Verhalten auch missbilligt. Denn hinter all ihrer Verachtung Hubert gegenüber steckt auch die Abhängigkeit von ihm; Hedwigs Leben dreht sich um sein Schweigen, ohne das sie selbst nichts sagen kann. Und Hubert schweigt. Er schweigt so lange, bis sein Schweigen endgültig geworden ist. „Bis heute hatte ich die Hoffnung, dass dich eine Idee trifft, Hubert, und jetzt hat dich der Schlag getroffen. Das wollte ich wirklich nicht.“

Mario Schlembach: Dichtersgattin. Roman. Otto Müller Verlag, Salzburg 2017. 227 Seiten, 20 Euro – auch als e-Book erhältlich
Mario Schlembach präsentiert „Dichtersgattin“ am Donnerstag (30.3.) um 19 Uhr in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur in Wien Herrengasse 5 und am Freitag (31.3.) beim Literaturfestival Wortspiele im Jazzclub Porgy & Bess Riemergasse 11 ebenfalls in Wien

 

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