Die Bögen des Lebens
MATTSEE / DIABELLI SOMMER
13/06/13 Die Idee einer "Lebens-Musik" mag aus der Sicht der jüngeren Vergangenheit weniger problematisch einher steigen als die des Lebens-Menschen. Lebens-Bögen: Darum geht es in einem neuen Werk von Theodor Burkali, am Mittwoch (12.6.) uraufgeführt zuim Auftakt des Diabelli-Sommers in Mattsee.
Von Erhard Petzel
Fallweise bedienen sich Komponisten philosophischer Spekulationen – und schon ist man im Zentrum dieses Konzerts, der Uraufführung von Theodor Burkalis „Arcus“ für Violine Solo und Ensemble. Das Frank Stadler gewidmete und auf den virtuosen Leib geschneiderte Werk erhält im Programmheft eine fast esoterische Deutung.
Angeregt durch den Geigenbogen bildet der Bogen eine Grundstruktur des Werkes (weiter nichts Neues). Vom Regenbogen spannt sich die Assoziation zur Böenwalze (Wolke in Form eines bedrohlichen Bogens). Das lateinische IANUA (für den Mittelsatz im Torbogen) steht für den Eingang in die Welt von Spiritualität (nebenbei gibt es den morphologischen Erkenntniswert zum Monat Januar). Schließlich landet man bei der Sinnlichkeit des Oberlippen-Bogens.
Wie bei programmatischen Assoziationen romantischer Symphonik und symphonischer Dichtungen ist aber auch hier der Hör-Zugang allein Hörzugang ausreichend befriedigend. Da wie dort entscheidet die spannungsvolle Bindung von Binnenstrukturen über die Entwicklung rhapsodischer Bewegung. Und das Spannendste ist der Bogen einer Stil-Klitterung, die eine Postmoderne mit einer Posttradition verquickt.
Elemente von Minimal-Music werden aufgefrischt durch dichte Klangstrukturen, Akkordik und Harmoniegefüge werden konterkariert, schamlose Achterperioden und gängige Rhythmen werden in Rossini-Walzen zertrümmert, Walzer gegen Balkan, Kantilenen und Kadenzen gehen in dichte Ensemblestrukturen über, deren Dynamik die einzelnen Instrumentengruppen in ein wurlendes Gewebe versprudelt und herausblitzen lässt.
Wenn sich Burkali der verschiedensten Stile und Elemente bedient, erinnert das etwas an die gängige Hörtraditionen schmeichelnde Musik eines Gulda oder der zahlreichen Komponisten für halbwegs zeitgemäße Musik für Blaskapellen, nur dass er wesentlich interessanter ist und das
Zeug hat, eine unbekümmerte Moderne für eine breite Hörerschicht zu schaffen mit dem Anspruch, dabei künstlerisch ernst genommen zu werden. Riesenapplaus und Zitat aus dem Publikum: Hochgradig beglückend.
Mit diesem Werk hat das Ensemble der Salzburg Orchester Solisten unter dem umsichtigen Dirigenten Kai Röhrig seine maximale Ausdehnung. Weit weniger Interesse kann das Nonetto von Nino Rota erwecken, dessen Andante wenigstens als Filmmusik Gefühle für Weite, Raum, unerfüllte Sehnsucht oder dramatische Melancholie freisetzen könnte. Jugendlich frisch und beglückend – und so musiziert – Leos Janáceks Bläsersextett „Mladi“.
Der Kirchenraum unterstützte Benjamin Brittens Sinfonietta op. 1 zwar beim Dröhnen des Basses und der breiten Klangwalzen, für die tastend abbrechenden Motive des Jugendwerks war er aber etwas hallig. Britten im Wagner/Verdi-Jahr als Jubiläumskünstler zu etablieren ist sicherlich ein geschickter Schachzug des Veranstalters für sein kleines, feines Festival mit seinen engagierten Künstlern.