Walzer tanzen und es krachen lassen
UNESCO / IMMATERIELLES WELTKULTURERBE
06/10/10 Unmittelbare Folge hat die Ernennung keine, aber es ist ein Signal: Was auf der UNESCO-Liste des "Immateriellen Weltkulturguts" steht, ist etwas Besonderes. Neue Einträge in Salzburg: Die Festschützen und das Samsontragen.
Von Reinhard Kriechbaum
Ein ganz unhaltbares Gerücht: dass der Ebenseer Glöckerlauf deshalb auf der Liste des Schützenswerten Kulturguts steht, weil heuer erstmals Frauen daran teilgenommen haben. Die Heiligenbluter Sternsinger erinnern daran, dass die Drei Könige nicht ausschließlich eine Sache der Katholischen Jungschar sein müssten.
Auch Brauchtum ist im Wandel und geht gelegentlich mit der Zeit. Insofern hat die Aufnahme in die UNESCO-Liste nicht unmittelbare Folgen. Eher hilft sie dem lokalen Tourismus - aber das ist für die Brauchtumspflege und -erhaltung ja auch ein zweischneidiges Schwert.
Bereits seit dem Frühjahr stehen drei Salzburger Besonderheiten auf der neuen UNESCO-Liste zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes: das Hundstoaranggeln, die Vereinigten zu Tamsweg und das Heilwissen der Pinzgauerinnen. Nun wurden zwei weitere volkskulturelle Praktiken als bemerkens- und schützenswert eingestuft: das Salzburger Festschützenwesen und das Samsontragen im Lungau.
Jodeln tut man nicht nur hierzulande, sondern erstaunlicherweise auch in Wien, aber dort heißt es "Dudeln" - auch diese Form des Singens steht neuerdings auf der Liste. Mit Wien verbindet man freilich viel eher den Walzer, und auch die "Wiener Bälle" sind nun in den Kulturerbe-Rang aufgenommen worden. Da habe der auch mit einem Kulturanthropologen (sprich: Volkskundler) besetzte Fachbeirat schon seine Zweifel gehabt, hieß es in einem Pressegespräch am Dienstag (5.10.). Thomas Schäfer-Elmayer weist aber auf die Einmaligkeit der Balltradition hin, die "nirgends so lebendig gefeiert wird wie in Wien".
Das Verzeichnis mache sichtbar, "wie vielfältig in einzelnen Regionen Kultur gelebt wird", sagt die Leiterin der österreichischen Nationalagentur für das Immaterielle Kulturerbe, Maria Walcher. Manche Bräuche kommen auch andernorts vor, man denke an die frühsommerlichen Bergfeuer in Ost- und Nordtirol - gekürt wurde aber der "Vorarlberger Funkensonntag", sozusagen als Pars pro toto. Tirol kam unter anderem mit der Ötztaler Mundart in die Kulturerbe-Charts.
Die Bewerbungen um eine Aufnahme in die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturguts gehen im Allgemeinen von den Regionen aus, nicht selten von den Brauchtumsträgern selbst. Zwanzig Einreichungen waren es diesmal, achtzehn wurden gewählt. Da stehen jetzt etwa die Klassische Reitkunst der spanischen Hofreitschule, der Imster Schemenlauf oder die Falknerei nebeneinander. Diese drei Posten wurden von der heimischen UNESCO-Agentur auch für die internationale Liste nominiert. Eine Entscheidung über die Aufnahme dort ist aber noch ausständig.
Das Salzburger Festschützenwesen hat seine Ursprünge im 13. Jahrhundert. Herausgewachsen aus den ursprünglichen Gruppen zu Verteidigung, entstand vor etwa vierhundert Jahren im gesamten Salzburger Land der Brauch, diese Schützenvereinigungen auch in die Gestaltung weltlicher und vor allem kirchlicher Feiern mit einzubeziehen. Die Gegenreformation ließ es beeindruckend krachen.
Den Samsonumzug gibt es nicht nur im Lungau, sondern auch jenseits der Landesgrenze in der Murauer Gegend. Der Samson geht auf die Barockzeit zurück, als auf Betreiben der Kapuziner zu Fronleichnam und am Bruderschaftsmontag prunkvolle Umzüge mit Darstellungen aus der Bibel auf großen Schauwägen abgehalten wurden. In den Reihen der Schützen wurde die Riesenfigur des Samson, eines alttestamentarischen Richters, mitgeführt.
Immaterielles Kulturerbe im Sinne des UNESCO-Übereinkommens sind mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen einschließlich der Sprache als Trägerin des Immateriellen Kulturerbes, darstellende Künste, gesellschaftliche Praktiken, Rituale und Feste, Wissen und Praktiken in Bezug auf die Natur und das Universum und traditionelle Handwerkstechniken. Internationale Beispiele sind das traditionelle Holzhandwerk der Zafimaniry auf Madagaskar, der argentinische Tango, die Manden Charta als älteste Verfassung der Welt in Mali oder die tibetische Oper. Die weltweite Liste umfasst derzeit 166 kulturelle Ausdrucksformen aus achtzig Ländern. Österreich ist seit 2009 Vertragsstaat.