Ein höchst verdächtiger Eisenbahner
SAALFELDEN / ORTE DES GEDENKENS
25/10/24 Der vierte Erinnerungsort an den Widerstand gegen das NS-Regime im Rahmen des Projekts Orte des Gedenkens wird 2025 Saalfelden. Im Zentrum stehen der Sozialdemokrat Karl Reinthaler und der Widerstand der Eisenbahner.
Der Wagenmeister und Lokführer wurde von der Wirtin des Bahnhofsrestaurants denunziert und 1942 von der Gestapo verhaftet. Zum Verhängnis wurde ihm, dass er für die „Rote Hilfe“ gespendet hatte, um eine Kioskbetreiberin zu unterstützen. Nachdem ihre Söhne verhaftet worden waren musste sie ihren Kiosk schließen.
Als Eisenbahner konnte Karl Reinthaler in der Schweiz Zeitungen besorgen, die er mitnahm und unter Kollegen, denen er vertraute, verteilte. Auch das war verboten. Nach der Verurteilung wurde Karl Reinthaler im Zuchthaus Amberg in der Mittleren Oberpfalz inhaftiert, ein „Vergeltungslager“ für politisch Inhaftierte, in dem er zur Zwangsarbeit gezwungen wurde. Dass er als Werkzeugmacher schließlich bei einer Zweigniederlassung der Firma Zeiss arbeiten konnte, rettete ihm das Leben, meinte er später.
Nach der Befreiung zog Reinthaler für die SPÖ als Abgeordneter in den Landtag ein. Die Folgen der Inhaftierung machten ihn weitgehend arbeitsunfähig und behinderten auch seine politische Karriere. Zwischen 1972 und 1979 war er dennoch Bürgermeister von Saalfelden. Er engagierte sich später als Zeitzeuge an Schulen.
„Es brauchte nicht sehr viel, um während der NS-Zeit verfolgt zu werden“, erklärt der Historiker Albert Lichtblau. „Anstand war ein ausreichender Verfolgungsgrund, denn wer nicht ‚mitlief‘ wurde verdächtig.“ So auch Karl Reinthaler, der es nicht aushielt, wenn Nazi-Größen ihre Radioreden in den Gaststuben hinausposaunten. Die Eisenbahner seien enorm wichtig für jede Form des Widerstandes gewesen, so Lichtblau. „Es ist kein Zufall, dass so viele von ihnen auch im Land Salzburg während der NS-Zeit als politische Gegner verfolgt wurden. Auf Grund der Mobilität konnten sie Nachrichten oder Sachgüter überbringen, Kontakte halten, sich betriebsintern zusammenschließen, so auch in Saalfelden.“
Wie an den anderen Orten zuvor wurde auch für Saalfelden ein geladener künstlerischer Wettbewerb in Kooperation mit dem Fonds zur Förderung von Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum des Landes Salzburg durchgeführt. Die Jury unter dem Vorsitz von Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder hat sich mit absoluter Mehrheit für die Einreichung von Rosa Andraschek und Simon Nagy entschieden. Unter dem Arbeitstitel Der kürzeste Weg, ein Zitat des Lokführers Karl Reinthaler, soll dastemporäre Projekt von Mai 2025 bis Mai 2026 sichtbar und hörbar werden wird. An fünf Audio-Stationen wird man mit den Erinnerungen von Karl Reinthaler an Widerstandsakte, Denunziation und Verhaftung und an seine Haft konfrontiert. Die sechste Audio-Station ist den weiteren Eisenbahnern gewidmet und umfasst anstelle gesprochener Erinnerungen ein kurzes Musikstück des Bassisten Lukas Kranzelbinder. Das Stück wird im Rahmen des Jazzfestivals Saalfelden im August 2025 mit einem eigenen Programmpunkt eine Erweiterung erfahren.
Zur Erinnerung an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Salzburg finanziert das Land Salzburg im Lauf von sechs Jahren in jedem politischen Bezirk die Realisierung an einem Ort. Geleitet wird das Projekt von der Arbeitsgemeinschaft Orte des Gedenkens, der die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder und die Historiker Albert Lichtblau und Robert Obermair angehören. Das jeweilige Thema wird auch in Diskussionsabenden, Veranstaltungen, Workshops und Schulprojekten vertieft. Das Projektteam arbeitet in Saalfelden eng mit dem Museum Schloss Ritzen, dem Bildungszentrum Saalfelden, dem Kunsthaus Nexus und der Stadtgemeinde Saalfelden zusammen. (Orte des Gedenkens)