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Wer hat die Zukunft heute schon im Sinn?

SEEKIRCHEN / KULTURHAUS EMAILWERK

04/02/10 "2010 - Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen": An diesen Film aus dem Jahr 1984 erinnerte sich Leo Fellinger und gewann daraus das Jahresmotto für das Programm 2010 im Kulturhaus Emailwerk: "Zukunft ist heute".

Von Reinhard Kriechbaum

Leo Fellinger verweist auf den Film "Avatar" und schließt daraus, dass es den Menschen nicht an Fantasie mangle. Aber wird die Fantasie genug genutzt, um Zukunft zu gestalten? Fiktion, so die Überlegung, sei eine wichtige Kulturtechnik, die natürlich in der Kunst zum Einsatz kommt. Leider viel weniger in der Politik und auch sonst im Leben. Dabei braucht es zuerst die Vorstellungen in den Köpfen, um Zukunft aktiv zu formen. "Fast immer waren Utopien auch Reaktionen auf gesellschaftliche Veränderungen." So hat man im Emailwerk also eine "Zukunftswerkstatt" vor, gemeinsam mit der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen. Da wird nicht zuletzt versucht, Visionen für die Zukunft Seekirchens und der Region wachzukitzeln.

In vielen Kunstformen also sollen in diesem Jahr Utopie und Fiktion beleuchtet werden. Zum Beispiel in der Literatur. Da ist man mit der jungen Autorin Juli Zeh im Gespräch, die in "Corpus Delicti" das spannende Szenario einer Gesundheitsdiktatur irgendwann im 21. Jahrhundert heraufbeschwört. Leon de Winter hat seinen neuen Roman "Das Recht auf Rückkehr" in einer beklemmend nahen Zukunft angesiedelt. Auch die jungen Autoren Nina Horvath und Thomas Templ werden die Besucher in eine alternative Realität mitnehmen.

Eine Kinoreihe wird Zukunft sogar einem Vergangenheitstest unterziehen: von "Metropolis" (1925) bis zur legendären "Raumpatrouille Orion" aus den sechziger Jahren.

Ein noch junges Format sind Kunstreisen. Im Vorjahr hat man eine Fahrt nach Venedig zur Biennale angeboten, heuer ist das Thema "Kunst & Natur", es führt in den Trentino, in André Hellers botanischen Garten, aber auch in die Parkanlage des Gabriele d'Annunzio. Und auch Land Art ist auf dieser Reise ein Thema - so wie auch in Seekirchen selbst, wo man sich schon seit geraumer Zeit mit besonderer Ambition dieser Kunstsparte annimmt.

Anita Köchl und Edi Jäger sind sowieso Theater-Fixstarter im Emailwerk. Sie haben heuer dort auch ein Sommertheater vor. Mit "Solo vino" und "Babytalk" macht man gemeinsame Sache mit der neuen Theater(off)ensive. English Theatre soll die Brücke zum jungen Publikum aus dem Gymnasium Seekirchen schlagen. Reizvoll verspricht ein Figuren- und Puppentheater-Akzent zu werden.

"A-cappella-Days" sind angesagt, mit "Velvet Voices", "Tonalrausch" und "Fii", wie überhaupt die Vokalmusik jedes Jahr dem Emailwerk-Programm einen liebenswerten (und vor allem: unverwechselbaren) Akzent schenkt. Das eigene Profil ist Verena und Leo Fellinger und ihrem Team überhaupt ein Grundanliegen. Viele Dinge sind eben exklusiv nur hier zu erleben. Der stolze Anteil von 18 Prozent Besuchern aus der Stadt Salzburg hängt natürlich sehr damit zusammen: Es zahlt sich oft aus, nach Seekirchen zu fahren ...

Eine Reihe von Formaten - vom "open stage" mit Auftrittsmöglichkeiten für junge Leute aus der Region über die Multivisions-Vortragsreihe "Weltbilder" bis zu spektakulärem Breakdance - sichert einschlägiges Interesse. Und mit den "Kinder-Kreativtagen" trägt man schon frühzeitig zur "Kundenbindung" bei.

Die Jahresbilanz ist ansehnlich, denn seit 2006 haben sich nicht nur die Zahl der Veranstaltungen, sondern auch des Publikums annähernd verdoppelt. Man hielt im Vorjahr bei 11.000 Besuchern und 157 Veranstaltungen, womit freilich das Limit erreicht sei, wie Verena und Leo Fellinger versichern. Je ein Drittel des Publikums kommt aus Seekirchen selbst und aus dem Flachgau. Von Krise habe man 2009 hier nichts bemerkt, heißt es, ganz im Gegenteil: Ein Zuwachs von 220 Prozent bei den Jahreskarten (die übrigens übertragbar sind!) spricht dafür, dass sich das Publikum mit dem Kulturzentrum im Flachgau nach fünf Jahren im Vollbetrieb bestens identifizieren kann.

Das Jahresprogramm: utopiazweitausendzehn.blogspot.com
Bild: dpk-klaba

 

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