Sein Bach ist einfach Bach
MATTSEE / DIABELLI SOMMER / HOHENTHAL
05/07/10 Das Konzerterlebnis fängt schon mit der Fahrt hinaus nach Mattsee an, heraus aus dem hektischen Getriebe der Stadt, durch das saftige Grün der Voralpenhügel hinab an den herrlichen See.
Von Erich Laier
Einfach parken, aussteigen und die ruhige Atmosphäre des beschaulichen Ortes genießen. Einzig der asphaltierte Weg im Friedhof fällt sehr unangenehm ins Auge. Die gotische Stiftskirche mit prächtiger barocker Ausstattung bietet einen optisch und akustisch perfekten Raum für ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Konzert: erinen Soloabend des Geigers Alexander Hohenthal am Donnerstag (1.7.).
Und vorab gleich noch ein dickes Lob für die Veranstalter: Das hervorragend gestaltete Programm für alle 21 Veranstaltungen mit kompetenten Werkeinführungen gibt es für jeden Besucher kostenlos. In der Pause stehen unter der herrlichen Linde an breiten Tischen Getränke und vorzügliches Gebäck zur Auswahl bereit. Nehmen, Danke sagen, genießen. Ganz ohne Gedränge in Schlangen, Kleingeldqualen etc., denn auch das ist im Kartenpreis inbegriffen.
Alexander Hohenthal hat an diesem Abend die Partita in E-Dur BWV 1006 von Johann Sebastian Bach, das Capriccio Nr. 21 A-Dur op. 1 von Niccolo Paganini, die Sonate Nr. 6 E-Dur op. 27 von Eugène Ysaÿe und nach der Pause die Sonate Nr. 3 d-moll op. 27 (Ballade) von Eugène Ysaÿe, das Capriccio Nr. 24 in a-moll op. 1 und die Ciaconna aus der Partita Nr. 2 d-moll BWV 1004 von Johann Sebastian Bach vereint. Als erstes staunt man über die Summe der technischen Schwierigkeiten und hofft, dass das alles gut geht. Aber mit Technik allein wird so ein Abend nichts werden. Und wie heikel es ist, allein die beiden Bach-Werke zu interpretieren hat, man oft genug erlebt.
In dem einleitenden Preludio der E-Dur Partita war noch Nervosität und Unruhe zu spüren. Aber danach war man vollkommen fasziniert von der Interpretation Hohenthals. Er steht da mit geschlossenen Augen, bewegt den Körper eher wenig, seine Konzentration ganz auf die Musik gerichtet, fernab jeder Äußerlichkeit. Technische Schwierigkeiten oder Intonationsprobleme scheint es für ihn so gut wie nicht zu geben. Und sein Bach ist einfach Bach. Wenn man ihn hört, dann hat man das Empfinden, dass man diese Musik gar nicht anders spielen kann. Ein solches Maß an Natürlichkeit vermisst man bei vielen der hochgelobten Jungstars. Er braucht keine extremen Tempi, ausufernden Rubati, er singt und tanzt Bachs Loure, Gavotte, etc. mit wunderbaren Phrasierungen und herrlichem Ton. Alles so spannend, dass man in seine Konzentration geradezu hineingesogen wird.
Paganini nach Bach? Das Amoroso des Capriccio Nr. 21 schafft erst mal etwas Abstand und Ruhe zu Bachs Gigue. Im anschließenden Presto dominiert dann die Vituosität Paganinis, die Hohenthal unglaublich beherrscht.
Die technischen Anforderungen der Sonaten Ysaÿes übersteigen noch jene der Paganini Capricen. Wie man beim Hören von Aufnahmen der verschiedensten Virtuosen verfolgen kann ist es eminent schwierig diese zu überwinden und Musik erklingen zu lassen. Sowohl bei der Sonate Nr. 6 als auch insbesondere bei der George Enescu gewidmeten Ballade hat Hohenthal einfach begeistert.
Bachs Ciaconna d-moll gehört zu den größten Herausforderungen an einen Geiger. Hohenthal hat sie an den Schluss seines Programms gestellt. Wieder ein Wunder an Natürlichkeit, verbunden mit logischer Artikulation, beeindruckenden Steigerungen, kraftvollem Zupacken aber auch spannungsvollen Ruhepunkten. Großartig. Zugaben? Auch hier bewies Hohenthal Geschick: Fritz Kreislers Rezitativ und Scherzo-Caprice beginnt im Rezitativ sehr ruhig, fast düster, hellt sich auf und entlässt den Hörer mit freudigem Gesang. Zum Abschluss als Hommage an seinen Lehrer Ruggiero Ricci dessen Bearbeitung eines Gitarrenstücks von Francisco Tarrega. Hier konnte man die unglaubliche Bogentechnik Hohenthals noch einmal im Detail bestaunen.