Anke steht unter Volldampf
REPORTAGE / FREILICHTMUSEUM / MUSEUMSBAHN
10/06/10 Auf den Namen Anke ist die Dame getauft. Zwölf Tonnen ist sie schwer, und 53 Jahre alt. Das ist nicht viel für eine Dampflokomotive. Anke ist auch nur ein Jahr älter als ihr Besitzer und Dampf-Meister, Bernd Amende.
Von Reinhard Kriechbaum
„Das Museum hat mich zusammen mit der Lok engagiert.“ Hier wird Herr Amende bis in den Herbst hinein Runden drehen mit seiner gewichtigen Dame und bis zu fünfzig Besuchern des Salzburger Freilichtmuseums. Das ist - für die Mitreisenden - eine beschauliche Sache, denn es geht mit 15 km/h Höchstgeschwindigkeit dahin. Ein Jogger könnte folgen, ohne wirklich ins Schwitzen zu kommen. Im Gegensatz zu Bernd Amende, dem die Schweißperlen auf der Stirn stehen. Es ist zwar ein luftiger Arbeitsplatz, aber kühl, nein, kühl ist es nicht vor dem Ofen und Dampfkessel. Beständig gilt es, Holzscheite nachzulegen.
Nach neun Monaten Bauzeit (seit August 2009) ist die Museumsbahn fertig, und ab Sonntag (13.6.) wird gleich eine Woche lang gefeiert. Da steht die gewichtige rot lackierte Dame Anke beständig unter Dampf (danach nur an Sonntagen). „Eine der schönsten Schmalspurstrecken Europas“, schwärmt Bernd Amende - und er muss es wissen, weil er mit seiner Lokomotive hauptberuflich tourt. Deutsche Freizeitparks, wo man ihn zuletzt engagiert hat, können mit dem Nadelwald-Parcours zwischen den Museumsregionen Flachgau, Tennengau und Pongau freilich nicht mithalten.
Viele der Objekte der neuen Museumsbahn selbst und entlang ihrer Trasse könnten Geschichten erzählen, so wie Herr Amende. Der mit 32.000 Holzschindeln gedeckte „Hauptbahnhof“ nahe dem Museumseingang entspricht dem ehemaligen Stationsgebäude auf der Zistelalm auf dem Gaisberg. Eine der beiden Dieselloks (die von Dienstag bis Samstag verkehren) war einst eingesetzt, als man den Eisenbahntunnel unter dem Ärmelkanal, zwischen England und Frankreich grub. Und die Schienen? Die waren auch schon einmal montiert, sie kommen aus einem iranischen Bergwerk!
Im „Hauptbahnhof“ sowie aus einer neuen Broschüre erfährt man viel Wissenswertes über Feld- und Betriebsbahnen. Genau 27 sind dokumentiert im Land Salzburg, aber es waren gewiss viel mehr, denn keine größere Baustelle, kein Bergwerk und kein großer Forstbetrieb war früher denkbar, ohne dass man Transportwägelchen auf Schienen führte. Als es galt, die Glan zu regulieren, die Autobahn zu bauen, Schutt aus dem zerbombten Salzburger Dom zu holen, waren Feldbahnen unverzichtbare Helfer. In der Halleiner Papierfabrik verkehrte eine solche Bahn und beim Torfstechen kam man auch nicht ohne sie aus. „Bockerlbahn“ nannte man solche Feldbahnen in Moorgebieten hierzulande.
Die Museumsbahn ist natürlich die künftige Attraktion schlechthin im Freilichtmuseum. Sie ist schließlich das größte Einzelprojekt seit der Museumsgründung, erklärt Direktor Michael Becker. 1,2 Millionen Euro hat sie gekostet: 650.000 Euro stellte LH Wilfried Haslauer als Sonderbudget zur Verfügung, 350.000 Euro kommen aus Rücklagen des Museums und 200.000 Euro hat der Verein der Freunde des Freilichtmuseums beigesteuert.
Wo von Eisenbahn die Rede ist, da ist Gunter Mackinger, Eisenbahn-Freak und Chef der Salzburger Lokalbahnen, nicht weit. Mackinger und die Lokalbahnen übernehmen den Betrieb der Museumsbahn, sie haben auch für die Ausbildung von Lokführern gesorgt. Die Sicherheitsauflagen sind bei einer Bahn mit immerhin 4 Prozent Gefälle nicht zu unterschätzen.
Um touristische Kundschaft mit einschlägigem Interesse braucht man sich keine Sorgen zu machen: In Deutschland, weiß Mackinger, sei eine Million Menschen (also jeder achtzigste Deutsche!) in einem Eisenbahnverein organisiert. Auch hierzulande fehlt es nicht an Leuten, deren Herz doppelt schnell schlägt, wenn sie Schienenstränge sehen. Wer hätte erwartet, unter den künftigen Lokführern des Freilichtmuseums den ehemaligen Musikchef im ORF-Landesstudio, Wolfgang Danzmayr, zu entdecken? Das schrille Pfeifen an jedem der zehn neuen Bahnübergänge klingt vermutlich wie Musik in seinen Ohren.
Andreaskreuze, zwanzig an der Zahl, stehen jetzt also im Freilichtmuseum. Eine historische Schmalspurbahn hat weit und breit kein anderes vergleichbares Museum. Sechzig Zentimeter ist die Spurweite. Was die Besucher freuen wird: „Sie werden nicht nochmal zur Kasse gebeten“, sagt Michael Becker. Für 8,50 Euro Eintritt kann man jederzeit ein- und aussteigen (im nächsten Jahr wird der Eintritt auf Europa-übliche zehn Euro angehoben). Drei Haltestellen gibt es, und bei den Stationen „Tennengau“ und „Pongau“ werden, so verspricht Becker, im Laufe des Sommers Wartehäuschen aufgestellt, wie sie einst entlang der Ischlerbahn standen. Und ein paar gusseiserne Säulen von den alten Bahnsteigen des Hauptbahnhofs wird man auch weiterverwenden. Die 1,7 Kilometer lange Bahnlinie im Freilichtmuseum ist also ein kulturgeschichtliches Denkmal fürs Transportwesen auf Schienen im Bundesland Salzburg.