Zivilcourage ist Menschlichkeit
NEUMARKT AM WALLERSEE / MUSEUM FRONFESTE
09/05/17 „Das Museum Fronfeste ist der geeignete Ort, um das Ziel historischen Erinnerns für ziviles Widerstehen zu verwirklichen“, sagt Ingrid Weydemann, Leiterin dieses Museums in Neumarkt am Wallersee.
„Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“, schrieb Bertholt Brecht. Als 1589 erbautes Amtmann- und Gefängnishaus zeuge die Fronfeste von Recht und Ungerechtigkeit, aber auch von Widerstand und Zivilcourage, erklärt Ingrid Weydemann. Und „wie kein anderer Ort“ steht dieses Gebäude „für den Mut und die Standfestigkeit der frühen Nazi-Gegner“.
Ein Mensch mit Zivilcourage war Paul Watzlawick, ein stiller Widerstandskämpfer. Er wurde 1921 in Kärnten geboren und nach seinem Schulabschluss 1939 eingezogen und zum Reicharbeitsdienst (RAD) in Neumarkt am Wallersee verpflichtet. 1943 qualifizierte er sich als Wehrmachtsdolmetscher für die englische Sprache und wurde von den Nationalsozialisten dazu eingesetzt, die Verhöre von gefangengenommenen alliierten Soldaten zu übersetzen. Paul Watzlawick brachte immer mehr Verständnis für die jungen Briten und Amerikaner auf und begann deshalb, ihre Aussagen unvollständig zu übersetzen. Schließlich wurde dies entdeckt und er wurde 1945 verhaftet. Sein Glück: der Krieg war bald aus und er wurde ohne Verfahren aus der Haft entlassen. Nach dem Krieg arbeitete er als Dolmetscher für die Engländer. Später studiert er Philosophie und veröffentlicht einflussreiche Werke in den Bereichen Psychotherapie und Kommunikationstheorie. Zu seinen bekanntesten Werken zählen die „Die Möglichkeit des Andersseins“ und „Vom Schlechten des Guten“.
Widerstand gegen das Regime hat also viele Gesichter. Manche Widerstandskämpfer lehnen sich mit stillen Aktionen gegen Unterdrückung und Unrecht auf. Eine entscheidende Botschaft der Ausstellung: Zivilcourage ist Menschlichkeit.
Es gehe eben nicht nur um das Erinnern, sondern auch darum „jungen Menschen konkrete Handlungsspielräume für ihren eigenen Alltag eröffnen“, erklärt Ingrid Weidemann. So wird in der Ausstellung auch Arbeitsmigration einst und heute angesprochen. Auch die Flucht von Millionen von Menschen vor Terrormilizen und Regimen, die gravierende Menschenrechtsverletzungen begehen, ist ein Thema. Auf einer Bodenlandkarte kann man die neuen Fluchtrouten nach Europa mit Hilfe von QR Codes nach verfolgen und sich ein Bild von den aktuellen Situationen machen.
Im Ausstellungsbereich „Migration der Dinge“ geht es darum, woher eigentlich die Kartoffel, die Jeans, das Sandwich kommen und warum diese quasi zu „Einheimischen“ wurden, andere Dinge aber nicht. (Museum Fronfeste/dpk)