asdf
 

Aus der Kunstbox wird eine Dunkelkammer

EMAILWERK SEEKIRCHEN / PLÄNE FÜR 2017

26/01/17 Wenn Leo Fellinger, einer der immer vorne dran ist mit Social Media und dergleichen, das sagt, dann muss man es sich wohl hinter die Ohren schreiben: Viele „Digital Natives“ schielen nicht nur aufs Analoge, sie schreiten zur anti-virtuellen Tat. Deshalb macht der Verein Kunstbox in Seekirchen den Trend zum Analogen zum Jahresthema.

Von Reinhard Kriechbaum

Was man allemal analog gut vorzeigen kann, ist die Besucherfrequenz im Emailwerk. Sie war mit 13.800 Menschen im Jahr 2016 höher als je zuvor, ein Plus von fünf Prozent gegenüber 2015. 266 Veranstaltungen sind in Seekirchens Kulturhaus ein Normwert. Ganz un-digital lebt sich's natürlich auch in Zukunft nicht, der Kulturverein Kunstbox investiert im kommenden Jahr in einen neuen optischen Auftritt, etwa eine neue Programmzeitung. „Herzstück dabei ist aber die Neugestaltung des Web-Auftrittes, selbstverständlich im Response-Design, sowie eine Verbesserung des Online-Ticketings und einer profilgestützten Kunden-Datenbank.“

Aber gleich wieder ein paar Schritte zurück: „Schon seit geraumer Zeit zeigen sich Ermüdungserscheinungen bei der Adoption neuer Technologien und digitaler Dienste“, erklärt Leo Fellinger. „Ein Trend scheint sich abzuzeichnen, eine wachsende Zahl widerständiger Konsumenten, Journalisten und Künstler hinterfragen kritisch die sichtbaren, aber vor allem die scheinbaren Errungenschaften der Digitalisierungswelle.“ Es gehe nicht um einen Kampf digital gegen analog, auch nicht um Retro-Gefühle, sondern „um den berechtigten Wunsch der Menschen nach der richtigen Balance zwischen virtueller und realer Welt“. „Analog ist das neue Bio“ heißt ein Buch von Andre Wilkens, und diesen Autor möchte man zu einer Podiumsdiskussion einladen.

Der Landart-Workshop gehört zu den analogen Fixpunkten im Kunstbox-Programm, heuer aber setzt man noch eins drauf: Die Kunstwerke in freier Natur werden analog fotografiert, und dann geht’s ab in die Dunkelkammer zum Entwickeln. Ganz und gar nicht digital wird es auch bei Kursen für Kalligraphie und japanische Buchbindung (mit selbst gefärbten Papieren) zugehen.

Auch die Musikbranche spürt übrigens analogen Aufwind. „Im Dezember 2016 wurden erstmals mehr Vinyls als Downloads verkauft“, weiß Fellinger. Da passt ein Festival wie „Echt“ gut dazu. An drei Tagen geht es dort um die „Zugin“ – Tastenharmonika, Bandoneon und Steirische Harmonika. Ebenso analog-stimmig die „O-Ton-Days“, in denen der neue Seekirchner „Ich-kann-nicht-singen-Chor“ seinem Namen hoffentlich gar keine Ehre machen wird. Hinter dieser neuen Gesangsgruppe steckt nicht nur die Begeisterung fürs Vokale von Verena und Leo Fellinger (die sich im Kunstbox-Programm mannigfaltig und mit viel Crossover niederschlägt), sondern auch die Intention des Musikpädagogen Richard Griesfelder. Aus der Pop-Academy, die man im Vorjahr recht laut hinausposaunt hat, ist ja unmittelbar nichts geworden, aber man bietet in diese Richtung sowieso viel Praktisches und Verführerisches an. Gospel- und Pop-Vocalworkshops, Workshops von Jodeln bis Beatboxing…

Auftritte haben Faltenradio, Angela Tröndle & Pippo Calvino, vocalbeat.club, Martin Spengler & die foischn, die Doro Hanke Band, Drew Sarich & Atalante Quartett, Manu Delago, David Lindorfer und viele andere, Klassik a cappella steuern der Wiener Kammerchor, Vocappella Innsbruck und der Kammerchor Klangscala bei.

Neben dem „Ich-kann-nicht-singen-Chor“ gibt es ein weiteres betont niederschwelliges neues Format, die Jam Session „Get together!“: Musizieren ohne Vorbedinfungen, ohne Noten, ohne Einschränkungen. Melina Berka und Josef Haberl geben nur punktuelle Inputs. Da soll sich möglichst viel frei entfalten (und das bei freiem Eintritt).

Auch 2017 werden die Pre-Eliminations des internationalen Breakdancebattles „Circle Industry“ wieder im Emailwerk Seekirchen ausgetragen. Im Theaterbereich denkt man über eine weitere Landestheater-Kooperation nach (das Stück steht noch nicht fest). Und eine Idee für eine Eigenproduktion hat man auch: Wilhelm Reichs „Rede an den kleinen Mann“, 1946 verfasst als „Ergebnis der inneren Stürme eines Naturforschers und Arztes, der jahrzehntelang zunächst mit Naivität, dann mit Staunen und schließlich mit Entsetzen erlebte, was der kleine Mann aus dem Volke sich selbst antut; wie er leidet, rebelliert, seine Feinde verehrt und seine Freunde mordet; wie er, wo immer er als ‚Volksvertreter‘ Macht in seine Hände bekommt, sie missbraucht und grausamer gestaltet als die Macht selbst.“ Also vielleicht das Stück genau zum Zeitgeist des Populismus, des Trump-Erfolgs und der paradoxerweise von unten kommenden Demokratie-Gefährdung.

www.kunstbox.at

Bilder: Verein Kunstbox Seekirchen (2); dpk-krie (2)

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014