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Vergangenheitsbewältigungsrituale, recht lieb

NEU IM KINO / DER GESCHMACK VON APFELKERNEN

04/10/13 Der zartbittere Geschmack von Apfelkernen in den Mündern der Großmütter erhält bei den Enkelinnen den immer schaleren Beigeschmack von Asseln und Gewalt. Dennoch kommt die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Katharina Hagena durch die Regisseurin Vivian Naefe über einen sentimentalen Bilderbogen nicht hinaus.

Von Heidemarie Klabacher

401Es war ein Spiel: Bei verbundenen Augen muss die eine erraten, erfühlen, erschmecken was die andere ihr in den Mund gelegt hat. In der heilen Welt der Großmutter waren das eben Apfelkerne oder rote Ribisl. Wirklich „süß“ scheinen die Kostproben nie gewesen zu sein. Doch in der Enkelinnengeneration entwickelte sich das Spiel immer stärker zu einer immer brutaleren Mutprobe, bis es zuletzt ein Mittel der Machtausübung geworden war: Daran erinnert sich – in der Gegenwart und damit in der Erzählzeit des Filmes angekommen – die heue 28-jährige Iris (lieb: Hannah Herzsprung).

Sie erbt das geradezu märchenhafte, wundersam mit alten Erinnerungen voll gestopfte Haus der Großmutter. Und sie kämpft in immer düsterer werdenden Rückblenden mit den aufsteigenden Erinnerungen an die Dramen ihrer eigenen, gar nicht so fernen 402Jugend. Diese gipfelten im Tod der frechdominanten Cousine Rosemarie. Ein rothaariges Teufelchen, das - außer dem eigenen Leben - auch das Lebensglück gleich mehrer Menschen erfolgreich zerstört hat, irreparabel, wie es scheint.

Zusammen mit dem als Rechtanwalt wiedergekehrten Jugendfreund Max macht sich Iris dran, ihre eigene Geschichte aufzuarbeiten. Florian Stetter spielt den von den vielen Streichen noch immer ein wenig verängstigen Bruder der dritten Freundin im Hexenbunde. Das ist alles wirklich lieb: liebevoll ausgestattet, lieb gespielt, lieb gemeint.

Aber war der Großvater wirklich ein solcher Nazi? Wer war tatsächlich der Vater der ersten Tochter der Großmutter? Ist die Tante (interessant: Marie 403Bäumer) nach der von Rosemarie zerstörten Liebe tatsächlich nie mehr mit den Männern zurande gekommen? War Rosemarie so machtbesessen und biestig, weil ihr Vater ihre Mutter verlassen hat – aus frühkindlichpubertärer Rache also? Kann eine frühreife Sechzehnjährige tatsächlich solche Macht ausüben? Da ergeht sich der Film in flüchtigen Anspielungen.

Die Regisseurin Vivian Naefe dröselt das durchaus dichte Gewebe möglicherweise interessanter Lebengeschichten und Schicksalsverflechtungen auf, ohne aber nur ein einziges Mal in die Tiefe zu gehen und die losen Enden zu einem gehaltvollen Ganzen zu bündeln.

Heraus kommt – und bleibt als einziges Ergebnis - ein schöner sentimentaler Bilderreigen. Man nimmt 120 Minuten durchaus gerne teil an dieser licht- und schattendurchfluteten Vergangenheitsliturgie, fragt sich am Ende aber dann doch, wozu.

Bilder: www.geschmackvonapfelkernen

 

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