Das etwas andere Lebenselixier
DAS KINO / BERGFILMFESTIVAL / „TAGAUS, TAGEIN“
28/11/11 „Der Mensch braucht Bewegung“, behauptet Thresl Handl, Protagonistin des neuen Films von Richard Rossmann. Mit „Tagaus, tagein“ kreierte der Salzburger Filmermacher, der zwischen Salzburg und Berlin pendelt, ein sensibles Porträt seiner „Omami“. Premiere war am Sonntag (27.11.) beim Bergfilmfestival.
Von Ana Bilandzija
Sanft eingehüllt vom steinernen Meer, den von ihr so sehr geliebten Bergen, lebt und arbeitet die mittlerweile 99 Jahre alte Thresl Handl am Harhamhof, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Seit dem Tod ihres Mannes im Jahre 1958 hält sie auf dem Bauernhof mit Gastwirtschaft in Harham den Betrieb aufrecht. Als selbstverständlich betrachtet sie es, auch schwere Arbeiten ohne fremde Hilfe zu bewältigen, im Sommer wie im Winter.
Dennoch ist Thresl nicht allein, immer wieder besuchen sie Stammgäste und Freunde, die sich an kräftigem Schnaps, ihren Kasnocken und heiteren Gesprächen erfreuen. Solche Tage bereiten auch ihr willkommene Abwechslung. Ihre Heimat wollte sie nicht verlassen, zu sehr liebt sie ihre Umgebung und zu gering ist das Bedürfnis nach städtischem Hochbetrieb mit zu viel Fremdem und zu wenig Bergen.
Nahezu collagenartig wird Thresls Alltag eingefangen, unterbrochen von Gesprächen mit deren Kindern und ihrer Schwester. Simple, aber höchst eindrucksvollen Sequenzen zeigen das ausdrucksstarke Gesicht seiner Großmutter minutenlang ohne sonstige Handlungen oder Worte; man fühlt hierbei regelrecht die gedehnte Zeit, die Thresl so manches Mal im Alltag verspürt. Ebenso wird der Film von Aufnahmen ihrer Hände geprägt, entweder auf ihrem Schoß ruhend, oder typische Arbeiten am Hof verrichtend. Diese länger anhaltenden Nahaufnahmen lassen noch stärker die gefühls- und arbeitsintensive Lebensgeschichte der Thresl Handl bewusst werden. Mit solchen Stilmitteln rundet Richard Rossmann das Porträt seiner Großmutter zu einer einfachen, aber sehr ansprechenden Art des Dokumentarfilms ab.
Thresl symbolisiert nicht nur enorme Stärke und Willenskraft einer Frau, die aus einer eher patriarchalischen Generation stammt. Ebenso zeigt sie, dass das Alter kein Fluch ist, wie modernere Entwicklungen uns immer wieder glauben lassen möchten. Diese Frau hat vermutlich mehr Vitalität und Humor als viele jüngere Menschen, und trotz ihres so hohen Alters weiß sie scheinbar kleine Dinge immer noch zu schätzen, wie einen sonnigen Tag oder den Ausblick auf die Berge. Trotzdem scheut sie sich nicht davor, von ihrem persönlichen Bezug zum Alter und zum Tod zu sprechen.
Das besondere Wesen der Thresl Handl, gepaart mit der Inszenierung ihres Alltags und den dazugehörigen Stimmen und Perspektiven, bildet das interessante sowie rührende Porträt einer außergewöhnlichen Frau, die in vielen Hinsichten dem Vorbild eines starken, autonomen und gleichzeitig liebevollen, herzlichen Menschen entspricht.