Unterdrückte Frauen zwischen den Kulturen
FILMKRITIK / MOND
13/12/24 Die Wienerin Kurdwin Ayub ist nicht nur aufgrund ihrer Persönlichkeit eine große Bereicherung für die heimische Filmszene. Dies belegen Preise für ihre Filme auf der Berlinale und in Locarno. Sie verfügt auch über genug Selbstironie, um die ihr hierzulande zugedachte Rolle einer gut vermarktbaren jungen Regisseurin mit Migrationshintergrund mediengerecht gut zu bedienen.
Von Andreas Öttl
Viel wichtiger ist aber, dass ihr frischer Blick und die Internationalität ihrer (dennoch von Lokalkolorit geprägten) Geschichten die Perspektive der in der Vergangenheit oft sehr engstirnigen und auf sich selbst Bezug nehmenden heimischen Filmproduktionslandschaft ausweitet. Überhaupt ist es an der Zeit, zu hinterfragen, ob es in einer globalisierten und multikulturellen Welt noch zeitgemäß ist, Filme über die Nationalitätszugehörigkeit ihrer Schöpfer zu definieren. Die Sprache des Kinos war ohnehin immer schon eine globale.
Kurdwin Ayub gehört allerdings einer Generation an, deren Medienkonsum nicht mehr vom Kino, sondern vor allem von Kanälen wie YouTube und Instagram sowie den Streaming-Plattformen dominiert wird. In ihrem Spielfilmdebüt Sonne aus dem Jahr 2022 war Social Media im Leben der porträtierten jungen Frauen nicht nur omnipräsent – der gesamte Film wirkte trotz zwischenzeitlicher dokumentarischer Nüchternheit wie ein überlanges Handy-Video. Ihr neuer Film Mond hat nun einen unaufdringlicheren, klassischeren Stil. Er gibt der Handlung und den Darstellern mehr Raum.
Inhaltlich ist Mond bis zu einem gewissen Grad das Komplementärstück zu Sonne. Dieses Mal steht nicht eine junge Kurdin in Österreich im Fokus, sondern eine Österreicherin in Jordanien. Die ehemalige Kampfsportlerin Sarah nimmt das Angebot an, drei Schwestern aus einer reichen, patriarchalisch dominierten Familie zu trainieren. Was sich nach einem tollen Job anhört, nimmt bald beunruhigende Züge an. Die jungen Frauen sind von der Außenwelt abgeschottet und werden konstant überwacht. Sport scheint sie nicht zu interessieren. Nach und nach kommt Sarah auf die Spur der dunklen Familiengeheimnisse.
Mit subtilen Mitteln und nur spärlich, aber effektiv eingesetzten Effekten erzeugt Kurdwin Aybub ein Gefühl der Bedrohung und verleiht ihrem Film die Aura eines Thrillers. Allerdings bricht der Film dabei mit Sehgewohnheiten und verwehrt dem Zuseher eine konventionell befriedigende Dramaturgie, die man aus jenen Genre-Vorbildern kennt, auf die der Film vage Bezug nimmt. Am stärksten deutlich wird dies beim dramatischen Höhepunkt gegen Ende des Films, wenn der erlösende White Savior Moment ausbleibt.
Hauptdarstellerin Florentina Holzinger liefert in ihrem Spielfilmdebüt eine bemerkenswerte Leistung ab. Dass die für ihre Performance-Kunst und Inszenierungen bekannte Künstlerin physische Präsenz mitbringen wird, war zu erwarten, nicht jedoch, dass sie die inneren Kämpfe ihrer Figur derart überzeugend und natürlich vermitteln kann.
Mond – wie man bereits erahnen kann der zweite Teil einer Trilogie – variiert auf interessante Weise einige der bereits in Sonne verhandelten Themen, wie etwa stereotypische Rollenbilder. Zu Lasten von dessen spielerischer Leichtigkeit und Energie ist der Nachfolgefilm reifer und dunkler. Dass er für den Zuseher auch etwas frustrierend ist, ist sehr stimmig, denn Mond lässt sich auch gut in Bezug auf die Machtlosigkeit Europas bei den Konflikten im Nahen Osten lesen. Der Film macht jedenfalls neugierig auf Sterne, das ambitionierte abschließende Projekt der Trilogie über eine junge US-Reporterin im Irak, die beim Angriff des IS zwischen die Fronten gerät.