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Freundlichkeit abhanden gekommen

FILMKRITIK / KINDS OF KINDNESS

30/07/24 Nachdem der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos mit seinen letzten beiden Filmen The Favourite und Poor Things Hollywood erobert und zahlreiche Oscar-Nominierungen eingeheimst hat, gibt es nun bereits seinen neuen Film Kinds of Kindness im Kino zu sehen.

Von Andreas Öttl

Liebhaber dieser beiden opulenten und vergleichsweise massenkompatiblen Filme könnten jedoch trotz neuerlicher Starbesetzung etwas enttäuscht werden. Kinds of Kindness ist vielmehr eine Rückkehr zu seinem sperrigen Frühwerk, welches auch maßgeblich von Drehbuchautor Efthimis Filippou geprägt war, mit dem er nun erneut zusammengearbeitet hat. Mit provokanten Filmen wie Dogtooth (2009) und Alps (2011) hat er gemeinsam mit Regisseurinnen wie Athina Rachel Tsangari  und Panos H. Koutras die von Kritikern als “Greek Weird Wave” betitelte Filmwelle geprägt.

Kinds of Kindnessist ein Episodenfilm mit drei unterschiedlichen Geschichten, die jedoch ähnliche Themen – hauptsächlich Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse – behandeln.

Ein ruheloser Mann, der versucht, die Kontrolle über sein Leben wieder zu gewinnen. Eine Meeresforscherin, die als verschollen gilt und bei ihrer überraschenden Rückkehr ein anderer Mensch zu sein scheint. Und eine ehrgeizige Frau, die auf der Suche nach jemandem ist, der ein großer spiritueller Führer werden könnte.

Die Charaktere der einzelnen Episoden werden von den gleichen Schauspielern gespielt. Diese sind zwar unterschiedlich, aber in gewisser Hinsicht auch Variationen der Figuren. Für die Schauspieler ist die Zurschaustellung dieser Wandlungsfähligkeit natürlich ein Fest. Für den Zuseher ist es eine Freude, sowohl etablierten Kino-Ikonen wie Willem Dafoe als auch aufstrebenden Jungstars wie Margaret Qualley zuzusehen, wie sie die diversen absurden und überwiegend nüchtern inszenierten Szenen mit Leben erfüllen. Neben Emma Stone, mit der Lanthimos nun bereits zum dritten Mal in Folge zusammengearbeitet hat, weiß vor allem Jesse Plemons zu überzeugen.

Trotz dieser Starpower macht es der Film dem Publikum nicht sehr leicht, ihn zu mögen: Positive Identifikationsfiguren gibt es keine und die bittere Ironie des Titels ist Programm. Die Freundlichkeit ist der moralisch verrottenden Menschheit abhandengekommen, der Blick des Regisseurs und Drehbuchautors auf die Welt ein äußerst skeptischer.

Die 164 Minuten vergehen trotzdem überraschend schnell, weil es Yorgos Lanthimos versteht, das Geschehen mit ungewöhnlichen Regie-Einfällen und einer Prise Humor aufzulockern. Die Schockmomente mögen etwas kalkuliert wirken, verfehlen aber dennoch ihre Wirkung nicht. Visuell ist der Film auf sehr hohem Niveau und auch die lediglich aus karger Klaviermusik und Chor-Einlagen bestehende Musik von Jerskin Fendrix trägt ihren Teil zur beunruhigenden Atmosphäre bei.

Ob die Affektiertheit von Kinds of Kindness das richtige Mittel ist, die Malaise der modernen Welt zu thematisieren, sei in Frage gestellt. Originelles und künstlerisch anspruchsvolles Kino, mit dem Yorgos Lanthimos sowohl seinen Fans als auch seinen Kritikern ausreichend Stoff liefert, ist es aber allemal.

Bilder: www.searchlightpictures.com

 

 

 

 

 

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