Party over
FILMKRITIK / THE BIKERIDERS
03/07/24 Das ur-amerikanische Genre der Biker Movies erlebte in den 60er und 70er Jahren seinen Höhepunkt. Ikonographisch ist Easy Rider aus 1969. Initialzündung war jedoch bereits 1953 The Wild One. The Bikeriders von Regisseur Jeff Nichols wirft einen eher melancholischen Blick zurück.
Von Andreas Öttl
Jener Wild one war der von Marlon Brando kongenial verkörperte Johnny, der mit seiner schwarzen Lederjacke, seinem Triumph Thunderbird Motorrad und der dazugehörigen Attitüde erstmals gegen alles rebellierte, was das konservativ-traditionelle Amerika anzubieten hatte. Eine Wiederbegegnung mit dieser fast vergessenen Subkultur gibt es nun im Kino zu erleben. Basierend auf dem gleichnamigen Fotobuch von Danny Lyon aus dem Jahr 1968 porträtiert Regisseur Jeff Nichols in The Bikeriders eine Biker-Gang in den 60er Jahren. Trotz diesen Bezügen zu echten Personen und dem Anspruch auf Authenzität etwa in der Ausstattung und den Kostümen beruft sich der Film aber ebenso stark auf die Filmgeschichte, explizit etwa in einer Szene, in der die Hauptfigur Benny (Austin Butler) The Wild One im Fernsehen sieht und davon gefesselt ist.
The Bikeridersist ein Film, der sich weniger aus der Realität nährt, sondern aus den Mythen, welche das Fundament für das populäre amerikanische Kino bilden. Wesentlich ist, dass sich Subkultur und Popkultur hier gegenseitig befruchten und es nie ganz klar ist, was zuerst da war. Am besten funktioniert der Film dann auch in den Momenten puren Kinos, in den Montagen zu Musik aus der Zeit oder wenn die Kamera ein bisschen länger als nötig in den Gesichtern des großartigen Darstellerensembles verharrt.
Wenn Hauptdarsteller Austin Butler in der Anfangsszene seinen ersten, an Coolness nicht zu überbietenden Auftritt hat, ist man schlicht gefangen und nichts, was im Laufe des Films an reiner Handlung passiert, kann nur annähernd eine solche Kraft entwickeln als Szenen wie diese. Die Suggestionskraft des Kinos und die Macht der Bilder setzt Regisseur Jeff Nichols im Gegensatz zu manchen Vorgängern jedoch nur zum Teil ein. Die Erzählstruktur des Films über Rückblenden aus Sicht der weiblichen Hauptfigur Kathie (Jodie Comer) reißt einen als Zuseher immer wieder heraus aus der Atmosphäre und distanziert ihn von den Charakteren.
Der weibliche Blick auf die Geschichte mag zum Ausdruck bringen, dass sich der Blick auf die ultra-maskuline Welt der Biker Gangs gewandelt hat, dennoch sind diese im Jahr 1973 spielenden Interviewszenen eher konventionell, wenn nicht sogar bieder inszeniert – und das wäre wohl das Schlimmste, was man einem Biker Movie vorwürfen könnte. Spannend ist hingegen, dass Jeff Nichols in seinem Film weniger den traditionellen Konflikt zwischen den rebellischen Jugendlichen und den Spießern der Elterngeneration thematisiert, sondern vor allem den gegen Ende der 60er Jahre einsetzenden Konflikt zwischen unterschiedlichen Generationen von Bikern, im Film als „beer drinkers“ und „pot smokers“ bezeichnet. Wenn Tom Hardy (großartig als Johnny, Anführer der „Vandals“) plötzlich die Welt nicht mehr versteht, so ist dies ein berührender Moment und insofern ist es stimmig, dass der Film gegen Ende immer düsterer wird und mit einer melancholischen Note abschließt. Was dem Regisseur in Bezug auf die Authenzität und der Feinfühligkeit für die Charaktere hoch anzurechnen ist, geht jedoch in Summe ein wenig auf Kosten der Unterhaltung:
The Bikeriders ist ein durchwegs ernster Film. Analog zum Zusammenbruch der Utopien von damals ist die Party vorbei, bevor sie so richtig begonnen hat. Wer die goldene Biker-Zeit und generell die 60er Jahre in ihrer ganzen verrückten Pracht erleben will, ist besser damit bedient, die DVD des Biker Movie Klassikers The Wild Angels der kürzlich verstorbenen Produzentenlegende Roger Corman auszugraben.
Bilder: Universal Pictures Austria