Ideen für Hip Hop und House aus Japan holen
IM PORTRÄT / OLIVIA MITTERHUEMER
30/11/20 Morgen, Dienstag (1.12.) wird der Kultur-Preisregen niedergehen, für Preisträger und Stipendiaten des Landes. Ohne großen Festakt, sondern online, aber grundsätzlich wie jedes Jahr. Viele Namen werden ja immer schon das Jahr über bekannt gegeben. Olivia Mitterhuemer etwa erhält das Jahresstipendium für Darstellende Kunst.
Von Reinhard Kriechbaum
Das mit 10.000 Euro dotierte Jahresstipendium für Darstellende Kunst 2020 wurde diesmal für den Schwerpunkt Tanz und Performance vergeben. Für Olivia Mitterhuemer, eine Spezialistin für urbanen Tanz in Salzburg, hat sich die Jury einstimmig ausgesprochen. Ihr gehörten neben Editta Braun (der Trägerin des großen Kunstpreises 2017) die Szene-Intendantin Angela Glechner und Hubert Lepka, spezialisiert auf Outdoor-Theater, an.
Olivia Mitterhuemer lebt in Salzburg. 2006 hat sie begonnen, sich mit den urbanen Tanzstilen House, Hip-Hop Freestyle, Dancehall, Locking, Popping zu beschäftigen. Nach dem Besuch von Fortbildungen und Workshops in Europa und den USA gründete sie die Urban Dance Crew Potpourri. DieseGruppe machte schon bei Battles – so heißen in diesem Bereich der Tanz-Subkultur die Wettbewerbe – im In- und Ausland auf sich aufmerksam. 2009 rief Olivia Mitterhuemer mit ihrem Team Österreichs größte internationale Streetdance Battle Flavourama ins Leben, die mittlerweile zu den bekannten einschlägigen Veranstaltungen in Europa zählt.
Beim Salzburger Verein Streetdance Center hält Olivia Mitterhuemer logischerweise Kurse für Fortgeschrittene, zuletzt (als das noch möglich war) immer am Montagabend in der ARGEkultur. „Jeder einzelne Tanzstil ist eine eigene Bewegungssprache mit einer speziellen Sprachmelodie und Aussprache (Groove, Feeling), Vokabular (Tanzschritte, Moves), Grammatik (Rhythmik, Komposition) und Kulturwissen (Geschichte, Kontext, Werte).“ Das kann man auf der Website des Streetdance Center nachlesen. „Den Freestyle (das freie Tanzen/Sprechen) erlernt ihr durch den Dialog mit anderen Tänzern (etwa im Cypher).“ Gut, dass es Wikipedia und dort ein Schlagwort Hip-Hop-Jargon gibt. Unter cyphern versteht man (wenn wir's richtig auslegen), dass mehrere Leute nacheinander tanzen und sich die anderen von den Kolleginnen und Kollegen etwas abschauen können. „Eine Feinform und Meisterschaft erlangt ihr erst, wenn ihr euch auch selbständig mit einem Tanzstil auseinandersetzt und mit anderen Tänzern 'sprecht'.“ Das also sinnigerweise am besten im Cypher.
Olivia Mitterhuemer schwebt ein Fortbildungsaufenthalt für Hip Hop und House Dance in Tokio vor, die Erfahrungen sollen in ein Mentorenship-Projekt für die urbane Tanzszene Salzburgs münden. „Es macht mich überglücklich, die Möglichkeit zu bekommen, meine Vision in die Realität umzusetzen“, so die Stipendiatin. „Nicht nur, um mich selber weiterzubilden, sondern insbesondere um die Hip Hop- und House Dance Community in der eigenen Stadt aufs nächste Level zu heben.“
„Mit dem Stipendium will sie sich selber in ihrer Technik und in ihrem künstlerischen Horizont weiterbringen“, heißt es auch in der Begründung der Jury. „Diesen persönlichen Zugewinn möchte sie zurückgeben in ihre Community, sprich in die Tanz- und Performance-Szene Salzburgs. Sie definiert dies sehr genau, will sich nicht nur auf erforschten Pfaden bewegen, sondern sich bewusst in die Unsicherheit einer als pulsierend beschriebenen urbanen Tanzszene Japans begeben. Ihre tänzerische Heimat sind Hip Hop und House, sie sieht aber auch die Begrenztheit eines definierten Genres und scheint bereit, diese Grenzen suchend zu überschreiten.“