Festspieldebüt schon in langen Hosen
IM PORTRÄT / DANIEL BARENBOIM
18/08/20 55 Jahre bei den Festspielen und seit siebzig Jahren auf dem Podium: Daniel Barenboim feiert dieses Jubiläum morgen Mittwoch (19.8.) bei den Festspielen. Im Solistenkonzert an diesem Abend wird er im Großen Festspielhaus Beethoven spielen, die Diabelli-Variationen und die vorletzte Klaviersonate, op. 110.
Von Reinhard Kriechbaum
Der 19. August war auch schon einige Jahre vor Barenboims erstem Festspielauftritt 1965 – der 22jährige spielte damals mit den Wiener Philharmonikern unter Zubin Mehta Mozarts Klavierkonuert c-Moll KV 491 – ein markanter Termin: Im Jahr 1950 hatte er an eben diesem Tag als Siebenjähriger sein erstes öffentliches Konzert in Buenos Aires gegeben. Da spielte er, siehe Bild rechts, Werke von Beethoven und Prokofjew.
Was die Festspiele, wenn sie alle fünf Jahre das jeweils aktuelle Jubiläum von Daniel Barenboim feiern, meistens unter den Tisch fallen lassen: Als Wunderkind trat er schon viel früher hierorts auf: Im dritten der damals eben gegründeten Salzburger Schlosskonzerte saß er 1954 am Klavier. Da war er zwölf Jahre alt und Schlosskonzert-Gründer Siegfried Hummer erzählte später, dass der Bub mit den Füßen gerade die Pedale erreicht habe. Aber nicht mal das war Barenboims Salzburg-Debüt: Neun Jahre alt war Barenboim, als er in einem Sommerakademie-Konzert als Klaviersolist auftrat. Das war also 1951.
„Der Pianist Daniel Barenboim, Südamerikaner von Geburt, nun seit längerem in Tel Aviv daheim, zählt zweiundzwanzig Lenze und hat erst vor kurzem in Berlin als Solist des Klavierkonzertes von Wilhelm Furtwängler Aufsehen erregt.“ Das wusste nach dem Festspieldebüt Barenboims 1965 Erik Werba zu berichten, der damals nicht nur als Klavierbegleiter, sondern auch als Musikkritiker tätig war. Auch Erik Werba hatte Barenboim schon von einem früheren Auftritt in Wien in Erinnerung, wo er 1953 „als zehnjähriger Bub in kurzen Hosen“ seinen ersten Auftritt hatte. „Wir hoffen, dieses besondere Talent in einem Dutzend von Jahren bei den Salzburger Festspielen zu hören“, konnte man damals in der Wiener Zeitung. So ist es tatsächlich gekommen.
Zuerst war Barenboim als Klaviersolist und Kammermusiker bei den Festspielen, 1990 debütierte Barenboim als Dirigent mit dem Berliner Philharmonischen Orchester und Werken von Arnold Schönberg und Ludwig van Beethoven. Seither tritt er mit einer ganzen Reihe von Orchestern – etwa der Staatskapelle Berlin und den Wiener Philharmonikern – bei den Salzburger Festspielen auf. Mindestens ein Konzert mit seinem 1999 gegründeten West-Eastern Divan Orchestra, das zu gleichen Teilen aus israelischen und arabischen Musikern besteht, gehört jeden Festspielsommer einfach dazu.
Daniel Barenboim sei „vergleichslos – durch seine musikalische und intellektuelle Offenheit, seine hohe Musikalität und sein gesellschaftspolitisches Engagement“, so Markus Hinterhäuser. Mit dem Solistenkonzert am morgigen Abend hat Daniel Barenboim insgesamt 87 Auftritte bei den Salzburger Festspielen gegeben – 23 Mal dirigierte er Oper, 59 Mal trat er in Konzerten als Pianist oder Dirigent auf und fünf Mal bei Gesprächen bzw. Meisterkursen auf der Bühne. 2010 war er Eröffnungsredner der Festspiele, seit 2018 ist er Träger der Festspielnadel mit Rubin. Mehr Ehre geht gar nicht.
„Schon als Kind war es für mich etwas ganz Besonderes, ein Konzert der Wiener Philharmoniker zu sehen und es ist bis heute besonders geblieben“, sagte der Musiker vor fünf Jahren, als man ein halbes Jahrhundert Barenboim bei den Festspielen feierte. Und in einem Buch von ihm kann man eine nette Salzburg Anekdote nachlesen, wie er sich als Neunjähriger ohne Eintrittskarte in eine von Karl Böhm dirigierte „Zauberflöte“ geschlichen habe, eingeschlafen und hochkant rausgeflogen sei.
Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler: „Die Gesinnung, aus der Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal vor 100 Jahren die Salzburger Festspiele gegründet haben, bestimmt auch das Leben des großen Künstlers und Menschen Daniel Barenboim. Er kämpft gegen die Geistlosigkeit des Zeitgeistes, wie er es selber nennt. Er kämpft für den Frieden, trotz aller Rückschläge. Sein gelebter Glaube an die Kraft der Kunst gerade in schwierigen Zeiten ist uns im Jubiläumsjahr besonders kostbar.“