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So gebrannt hat es noch nie in meinem Leben

IM PORTRÄT / EDITTA BRAUN

01/10/19 Die editta braun company ist mehr als nur deren visionäre Gründerin. Editta Braun ist Herz, Seele und Motor der von ihr auf den Weg gebrachten künstlerischen Arbeit. Sie selbst sieht sich als Anstoßgeberin für kreative Prozesse. Am Freitag (4.10.) steigt nach der Uraufführung des neuen Stücks Layaz in der Szene Salzburg das Fest 30 Jahre editta braun company.

Von Heidemarie Klabacher

35 abendfüllende Produktionen, zwanzig Kurzstücke, sechs Filme, 513 Gastspiele in 32 Ländern: Das ist in nackten Zahlen die bisherige Bilanz des künstlerischen Schaffens der Tänzerin, Choreographin und Regisseurin Editta Braun: Auf dem Höhepunkt der Produktivität ist das die Zwischenbilanz einer Künstlerin, die ihre Arbeit immer auch politisch gesehen hat. Gerade aus diesem Grund mischen sich in die Feier-Stimmung ausgesprochen düstere Farben.

Zum ersten Mal seit dem „kreativen und kritischen Impuls der achtziger Jahre“ verspürt sie, so Editta Braun, „wachsende Zweifel und Ängste“ angesichts sich vervielfältigender und zuspitzender globaler Krisen: „Zum ersten Mal in meinem Leben verspüre ich eine Ohnmacht, die ich in dieser Hartnäckigkeit von mir nicht kenne. Es fällt ein gesellschaftliches Tabu nach dem anderen. Auf ein Entsetzen folgt das nächste. Die Zeit geht uns aus.“Noch nie habe es so gebrannt in ihrem Leben: „Ich beobachte, wie ich eigentlich am liebsten ein Fenster nach dem anderen schließen möchte, weniger wissen und dadurch weniger leiden, besonders schmerzhafte und aussichtslose Themen einfach wegschieben.“ Schicht für Schicht wolle sie die „großen Probleme wegklicken, eine kleinere Welt schaffen“: Wer versteht ihn nicht, den verhängnissvollen Wunsch, „dem Glück des Augenblicks den Vortritt lassen vor dem Unglück des globalen Blicks“. Editta Braun, sagt es für uns alle: „Gut ist das nicht. Verständlich schon.“ Gleichzeitig seien für sie „zweifeln und Kunst schaffen“ schon immer untrennbar miteinander verbunden gewesen: „Das ist auch gut so.

Hervorgegangen aus dem von Editta Braun und Beda Percht 1982 gegründeten Künstlerkollektiv Vorgänge, feiert die 1989 in Salzburg gegründete editta braun company e b c nun also ihren dreißigsten Geburtstag. Für ihr „kontinuierlich-beharrliches künstlerisches Schaffen und ihre scheinbar unerschöpfliche Kreativität“ wurde Editta Braun 2014 mit dem Großen Preis für Kunst und Kultur der Stadt Salzburg ausgezeichnet. Drei Jahre später folgte der Großen Kunstpreis des Landes Salzburg. Ein Schwerpunkt der e b c ist die Entwicklung und Erforschung seines „rein weiblichen Körpertheaters“: Unter dem Stichwort Luvos begibt sich die Company immer wieder „weit über die Grenzen des herkömmlichen zeitgenössischen Tanzes und auch des Tanztheaters hinaus“. Sechs Stücke umfasst die Luvos-Reihe bereits. „Die vielleicht wichtigste Konstante der  e b c  ist ein explizit politisch engagierter Ansatz, der Tanz als eine Möglichkeit sieht, die Welt zu erkunden und gesellschaftlichen Fragen nachzugehen“, hieß es 2017 in der Begründung der Jury zum Großen Kunstpreis des Landes Salzburg.

Die 1958 in Vöcklabruck geborene Editta Braun erhielt schon als Kind Unterricht in Kunstturnen und klassischem Ballett und wirkte nach Studium der Germanistik und Sportwissenschaft in Salzburg sowie Tanz- und Schauspielausbildung in New York und Paris anfangs oft selbst als Tänzerin in den Produktionen der e b c mit. Seit 2008 steht sie selbst nicht mehr auf der Bühne. Als Choreografin und Regisseurin versteht sich vor allem als Ermöglicherin. Als Anstoßgeberin für „kollektive Prozesse der Bewegungsrecherche, für welche sie den Rahmen vorgibt, an dem die Performerinnen und Performeraber einen großen Anteil haben“. Kooperation ist tatsächlich die Grundhaltung in der künstlerischen Arbeit „und damit selbst ein Statement“. Zu den lanjährigen Wegbegleiterinnen, die ihre Arbeit kreativ ergänzen, zählen Céline Guillaume und Georg Blaschke, Barbara Motschiunik, Anna Maria Müller und Tomaž Simatović, oder bis heute Martyna Lorenc, Dante Murillo und Iris Heitzinger. Auch die Company versteht sich als „stets sich fortentwickelndes Team internationaler Künstlerinnen und Künstler unterschiedlicher Disziplinen“.

Das spiegelt sich auch im Programm des Festabends am Freitag (4.10.) in der Szene Salzburg, wenn die editta braun company mit dem Publikum von heute und mit Künstlerinnen und Künstlern von damals und heute feiert: Auf dem Programm stehen etwa ein Kurz-Konzert mit Thierry Zaboitzeff oder die Präsentation eines Videos aus mit Höhepunkten aus dreißig Jahren e b c.

Zuvor präsentiert Edittag Braun mit dem Stück Layaz ihre neueste Arbeit: Zum Jubiläum hat sich die Choreografin einmal mehr aufgemacht auf eine Forschungsreise in die menschliche Seele. Mitgenommen auf ihre neueste Expedition hat sie die Performerin Cat Jimenez, eine ausgewiesene Expertin für Urban Dance und Battle. Das sind noch immer eher „männlich“ konotierte tänzerische Ausdrucksformen. Und genau diese maskuline Ästhetik soll sich in Editta Brauns neuester Arbeit mit den Mitteln des feministischen zeitgenössischen Tanzes verbinden: In dieser Spannung stelle das Stück Layaz Fragen nach „Identität, Freiheit und dem Anderen, das jedem von uns innewohnt - unheimlich befremdlich und seltsam vertraut“.

Dreißig Jahre e b c editta braun company – Premiere Layaz und Fest am Freitag (4.10.) ab 19 Uhr in der Szene Salzburg – www.szene-salzburg.net www.editta-braun.com
Bilder: e b c / Bettina Frenzel

 

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