Diese Oper und keine andere
IM PORTRÄT / JAN LAUWERS
18/07/18 Dass er die Oper „L’incoronazione di Poppea“ von Monteverdi auf die Bühne bringen möchte, sei Intendant Markus Hinterhäuser bereits lange klar gewesen, sagt er am Dienstag (17.7.) beim TerrassenTalk mit Jan Lauwers. Doch ihm habe die zündende Idee gefehlt, wer sie inszenieren solle.
Von Anne Zeuner
Also sei er in einem etwas ratlosen Moment in die Hofstallgasse gegangen und seine Intuition ließ ihn Jan Lauwers anrufen. Dieser sei überrascht gewesen, antwortete aber auf die Frage des Intendanten, ob er sich vorstellen könne, jemals eine Oper zu inszenieren positiv: Es gebe nur eine einzige Oper, die er sich vorstellen könne. „Und ich sage Dir genau, welche das ist“, sagte der Intendant damals am Telefon. „Monteverdis Poppea!“ Markus Hinterhäuser sollte richtig liegen mit dieser Intuition.
Auch Dramaturgin Elke Janssens zeigte sich überrascht – seit 15 Jahren habe sie mit Jan Lauwers zusammengearbeitet und er habe immer gesagt, dass er nie eine Oper inszenieren werde. „Es fasziniert mich, wie Monteverdi über Musik und Oper denkt. Diese Gedanken sind sehr konform mit der Art und Weise, wie ich mit meiner Needcompany arbeite“, sagt Jan Lauwers, der für Regie, Bühne und Choreografie verantwortlich zeichnet. Das sei doch ein sehr seltsamer Zufall, dass Monteverdi im Jahr 1630 die gleiche Idee formuliert hatte, nämlich die Oper nicht als Reproduktionsmaschinerie zu sehen, sondern als immer eigene Produktionen.
„Monteverdi schafft in diesem Stück eine enorme musikalische Freiheit“, sagt Jan Lauwers. Genau diese Freiheit wolle er als Gesamtkunstwerk auf die Bühne bringen. Jeden Abend solle etwas Neues entstehen. Auch Dirigent William Christie, der in der nächsten Woche in Salzburg ankommt, sei von diesem Konzept überzeugt. „Er wird nicht im herkömmlichen Sinne mit seinen Händen dirigieren“, sagt Jan Lauwers. „Er sieht sich als Teil des Ensembles – bei uns ist jeder Sänger, jeder Performer, jeder Musiker gleichwertig, alle begegnen sich auf Augenhöhe, so kann jeden Abend etwas Neues entstehen“, sagt der Regisseur. „Wir wollen auf diese Art und Weise ganz neue Momente kreieren und eine andere Atmosphäre auf die Bühne bringen.“
Er schreibe den Sängern nicht vor, ob sie nun rechts oder links auf die Bühne gehen sollen, sie können selbst entscheiden, er gebe nur die Möglichkeiten vor. Die Sänger sollen die Chance haben, selbst ihren Gefühlen auf der Bühne nachzugehen. Natürlich hätten die Sänger, die eher daran gewöhnt seien, klare Anweisungen zu bekommen, am Anfang mit Angst reagiert. Aber man habe sich Zeit genommen dies zu proben und eine Beziehung zueinander aufzubauen. Er sehe sich selbst nicht als Theater-Regisseur, sondern als Theater-Macher, sagt Jan Lauwers. Er komme aus der bildenden Kunst und benutze das Theater als Mittel, um ein Gesamtkunstwerk entstehen zu lassen.
Als Künstler beginne er immer mit einem weißen Blatt Papier, auf dem gar nichts vorgegeben ist, als Regisseur einer Oper ist bereits vieles vorgegeben: Der Text, die Musik, die Abfolge der Szenen – die besondere Herausforderung sei es nun für ihn, das richtige Timing zu finden. Oft habe er in Inszenierungen der Poppea zu viel Frivolität und Humor gesehen. „Ich sehe das anders, es gibt kaum Humor in dieser Oper. Vielleicht etwas Zynismus, aber mit diesem sollte man sehr vorsichtig umgehen“, sagt Jan Lauwers.
Monteverdi setzt Countertenöre ein, etwa für die wichtige Rolle des Nerone. In dieser Inszenierung übernimmt Kate Lindsey diese Rolle. „Bei der Verübung von Grausamkeit stehen Frauen den Männern in nichts nach“, sagt er. „Ich sehe die Bühne als eine Art Arena, in der sich alles abspielt“, sagt der Regisseur. „Der Boden ist mit nackten und toten Körpern aus dem Barock und der Renaissance bedeckt, so dass die Darsteller auf der Bühne buchstäblich über diese Körper laufen müssen.“ Auf der Bühne werde kastriert, manipuliert, getötet. Sie sei eine Arena für Konflikte, „grausam und wunderschön zugleich“.
Monteverdi habe zu dieser grauenhaften Geschichte eine so wunderschöne Musik geschrieben. Genau da sieht Jan Lauwers eine Möglichkeit, nämlich Kunst und Schönheit als Waffe gegen die Grausamkeit der Menschheit einzusetzen. „Wir leben in einer Welt, in der Erdogan die Theater schließen lässt, in der Trump sagt, er habe noch nie ein Buch gelesen, in der Putin korrupt ist – wir müssen uns fragen, was da die Antwort sein kann“, sagt Jan Lauwers.
Insgesamt werde man fünfzig Personen auf der Bühne sehen – jede eine individuelle Energiequelle, so formuliert es der Regisseur. Es gehe dabei um die Sinnlichkeit, um die Fragilität dieser Körper. In die Mitte dieser Bühne setzt er einen Performer, der sich unentwegt im Kreis dreht, über zwei, drei Stunden lang. „Die Geschichte ist eine Lüge für mich, denn wir lernen nicht daraus. Diese historische Zeit stelle ich ins Zentrum des Geschehens, und der Performer, der sich unentwegt wie ein Derwisch im Kreise dreht, repräsentiert die echte Zeit. Es war mir wichtig, diese einzufangen.“