Die Linie – und nichts anderes
IM PORTRÄT / BERNAR VENET
18/05/10 Am Montag (17.5.) sind die Last- und Kranwagen aufgefahren auf dem Krauthügel, und die ersten metallenen Objekte wurden aufgestellt: Dem Franzosen Bernar Venet widmet die Salzburg Foundation diesen Skulpturengarten.
Von Reinhard Kriechbaum
Aus dem neunzig Meter hohen „Dirigentenstab“ nahe der Ursulinenkirche ist ja nichts geworden, aber dafür gibt es Venet mal neun: acht Skulpturen auf den Krauthügel und - die Idee ist erst dieser Tage aufgetaucht - vielleicht doch noch ein Objekt in der Stadt. Um die Genehmigung auf dem Platz vor der Galerie Ropac und dem Solitär der Universität Mozarteum verhandle man gerade, heißt es.
Was reizt Bernar Venet gerade am Krauthügel, werden seine Kunstwerke irgendwie in Dialog treten mit der Natur, der nahen Festung? Nein, sagt der französische Bildhauer entschieden. Jedes Objekt stehe für sich, „es gibt keine Verwandtschaften zu irgendetwas anderem“. Und er erklärt: „Wenn Sie einen Sessel sehen, sehen Sie einen Sessel, wenn Sie ein Haus sehen, ein Haus – und im Fall meiner Kunstwerke sehen Sie eben Linien.“ Damit grenze er sich ab „zum Beispiel vom Surrealismus, wo man immer denkt: Was könnte es bedeuten?“ In seinen Objekten „sieht man, was es ist".
Und, was ist es? "Die Linie ist das Entscheidende." Um die Linie geht es in den Skulpturen des 1941 in Château-Arnoux (Frankreich) geborenen Künstlers, „um die gerade, gekrümmte, gekurvte, gekreuzte Linie“. Und auch um die geknickte, wie man am Montag Nachmittag schon vor Ort sehen konnte. Da war gerade ein Arbeiter beschäftigt, das um eine spitz-winkelig geformte Skulptur frisch gemähte Gras zusammen zu rechen. „63,5° Angle“ verrät ein Schrift auf dem massiven Stahl. Auf dem oberen Ende der Wiese war man zur selben Zeit beschäftigt, mit dem Bagger die Fundamente zuzuschütten. „Die darf man nicht sehen“, mahnte der Künstler die Verantwortlichen von der Salzburg Foundation. Natürlich ist eine starke Betonplatte das Fundament für ein Bündel von sieben oder acht Meter hohen Metallstangen, die ein wenig an ein Bündel von Mikadostäben erinnern. Aber solche Assoziationen soll man sich ja verkneifen, laut Bernar Venet.
In diesen Tagen werden also die weiteren Exponate angeliefert. Man werde einen guten Eindruck bekommen von seinem skulpturalen Schaffen der letzten Jahrzehnte, kündigt Bernar Venet an. Manche Dinge sind weit gereist, denn Bernar Venets Objekte sind international gefragt, manche waren schon 1994 in Paris, später in Shanghai zu sehen.
Venet arbeitet nicht nur in schwerem Metall. Als Bühnenbildner an der Oper in Nizza hat er seine Karriere gestartet. Ab den späten sechziger Jahren widmete er sich mathematischen Diagrammen und dergleichen. 1974 nahm er eine Auszeit als bildender Künstler, wurde Dozent für Kunst und Kunsttheorie unter anderem an der Pariser Sorbonne. Aber bald betrat er wieder die internationale Kunstszene, war 1977 documenta-Teilnehmer und hat sich dann als Bildhauer, Maler und Aktionskünstler einen Namen gemacht. „Lignes indéterminées“ (Unbestimmte Linien) – damit begannen 1984 Bernar Venets Linienspiele.