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Der Computer und die Natur komponieren mit

IM PORTRÄT / GERHARD E. WINKLER

13/12/16 Heute Dienstag (13.12.) ist um 18 Uhr die Kulturpreisverleihung des Landes. Den Großen Kunstpreis Musik erhält Gerhard E. Winkler. Wenn man von manchen Komponisten ironisch sagen könnte, sie seien in Salzburg weltberühmt, dann gilt für Winkler eigentlich genau das Gegenteil. Sein Schaffen wird vor Ort gar nicht so gewürdigt, wie es ihm an Stellenwert zukäme.

Man muss schon zur Opernbiennale München fahren, zu Wien modern oder zum steirischen herbst, um Winklers Stellenwert entsprechend einschätzen zu können. Herausragende Interpreten wie Garth Knox, Jörg Widmann und das Arditti Quartet setzen sich für die Hörbarmachung seines Werkes ebenso ein wie das ensemble recherche, Klangforum Wien, oenm, das RSO oder das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks: Darauf wies die Jury, der diesmal Elisabeth Fuchs, Ute Pinter, Ljubiša Tošić angehörten, ebenso hin wie auf die eben überregionale Präsenz des diesjährigen Musikpreisträgers.

Wiewohl immer immer und immer noch auf der Suche, sei der 1959 in Salzburg geborene Komponist „sozusagen in der Mitte seines künstlerischen Schaffens“ doch schon angekommen, heißt es in der Jurybegründung. Seine Werke umfassen quasi alle Bereiche der Instrumental- wie Vokalmusik, mit und ohne Elektronik, mit und ohne Bühne und Intermediales, reichen von Solistischem bis hin zu Orchesterbesetzung und werden international und auch auf großen Bühnen und einschlägigen Festivals aufgeführt.

Schon in seiner Aus- und Weiterbildung, auf seinem Werdegang habe sich Winkler zeitlebens „polyglott“, so die Juroren. So studierte er nicht nur Komposition, sondern auch Musikwissenschaft, Philosophie und Psychologie – und das nicht nur in Salzburg und Wien. „Ein Studienaufenthalt am IRCAM in Paris gehöre ebenso dazu wie Besuche der Darmstädter Ferienkurse oder die Arbeit am Experimentalstudio in Freiburg als mehrfacher Stipendiat der Heinrich-Strobel-Stiftung des SWR, gleichfalls auch Gastaufenthalte etwa im Künstlerhaus Boswil in der Schweiz oder am Music-Department der University of California, San Diego.“ Zur Auseinandersetzung Winklers mit der Welt auch abseits der reinen Komposition seien auch noch seine Mitarbeit beim ORF, beim Forum Alpbach (Seminarleitung zu Musik und Politik; Macht und Ohnmacht der Kunst) oder die Gründung des Privatinstitutes CRIMSS (Center of Research in Interactive Music and Systemtheory) erwähnt. „Letzteres fuhrt uns auch schon auf die Spur von Winklers Zugang zu kompositorischen Prozessen, die ihm eine Sonderstellung und in gewissem Sinne auch Vorreiterrolle, auf alle Fälle aber eine auch mit diesem Preis zu würdigende Position im Neue-Musik-Kontext zugestehen lasst.

Definiert man Neue Musik als eine, die sich selbst auch als Musik nicht mehr selbstverständlich ist, also nicht mehr einem klaren Regelwerk, Konventionen oder rein Innermusikalischem folgt, sondern die sich selbst in ihrer Tradition und ihrem Schaffen hinterfragend Anknüpfungspunkte und Verankerungen auch im Außermusikalischen sucht und akzeptiert, neue Technologien und Theoreme nutzbar macht, künstlerischen Weltentwurf nicht abseits von Weltaneignung auf breiterer Basis sieht, so sind Winklers Ansätze paradigmatisch dafür.“

Mit seiner Hybrid-Serie, später etwa auch mit der interaktiven Oper „Heptameron“ setzt Winkler Musiker nicht nur als bloße Interpreten einer Partitur ein, sondern lässt sie – im Sinne eines interaktiven Ansatzes – zum mitbestimmenden Element des Werks, zum Mitschöpfer werden. Auch interaktive Computer-Environments oder die Realtime-Scores zielen in diese Richtung. Der Komponist als solitärer Autor überantwortet sich ab einem gewissen Zeitpunkt dem Computer, der die Partitur in Echtzeit und unter Einbeziehung der Interpretenreaktionen erstellt. Beim Werkzyklus „Les arbres“ wiederum werden Wachstumsstrukturen von Pflanzen einbezogen, für „emergent“ stand eine Differentialgleichung Pate, bei „Poren“ Planetenbewegungen.

Wiederum eine andere Öffnung hin zu einer Arbeit mit renommierten Vertretern aus dem Improvisationskontext wird mit dem Auftragswerk fur die Donaueschinger Musiktage 2009 „Bikini. Atoll“ vollzogen. Eine politische Dimension wird schließlich auch bei Werken wie „Twins´n´Towers“ eingeführt.

Die vielfältigen Erfahrungen mit der Einbeziehung komplexer dynamischer Prozesse und außermusikalischer Impulse in den künstlerischen Prozess wie auch die Hinterfragung von Werk- und Autorenidentitat hat Gerhard E. Winkler auch in partiturgebundenen Arbeiten bereichert und fortgeführt. Seit 2014 arbeitet er nunmehr an einem neuen Zyklus in ganz unterschiedlichen Besetzungen mit Titelung „Anamorph“, dem inzwischen acht fertiggestellte Kompositionen entstammen. Darunter fällt das 2015 unter Cornelius Meister im Goldenen Saal des Musikvereins Wien uraufgeführte Orchesterwerk „Anamorph II (Fake: a Suite), das das Genre des Wienerliedes mitdenkt, oder Anamorph VIII fur Streichquartett und Synagogalgesang. Auch Rock- und Schmuggeltanze mit Anklangen an so unterschiedliche Quellen wie Frank Zappa, Miles Davis oder Webers „Freischütz“, Orgel oder Gitarrenquartett finden sich im Fokus dieses aktuellen Zyklus. Wieder also neue Anknupfungspunkte, neue Weltaneignung in Winklers Schaffen.
(Landeskorrespondenz / Jurybegündung / dpk)

Bild: gerhardewinkler.com privat
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