Kleines Jubiläum, lange Geschichte
HINTERGRUND / SALZBURGER DOMKAPITEL
24/03/25 „Das Salzburger Domkapitel feiert 200. Geburtstag“, meldet die Erzdiözese. Da kramt man gleich mal verschüttetes Schulwissen hervor. Könnte es sein, dass sich jemand um, Pi mal Daumen, eineinviertel Jahrtausende verrechnet hat?
Von Reinhard Kriechbaum
Das kleine Jubiläum, das die derzeit elf Domherren (gewiss mitsamt einigen emeritierten Kollegen) morgen Dienstag (25.3.) mit einer Festmesse feiern, hat mit dem Verlust der Eigenständigkeit Salzburgs als Fürsterzbistum zu tun: Mit 1. Jänner 1807 wurden sämtliche Güter des Domkapitels dem Staat einverleibt. Allein im Kaiviertel verfügte das Kapitel damals neben anderen Gebäuden über 18 Kanonikalhöfe. Das Kapitel war nun seiner weltlichen Güter beraubt. Formell wurde es zwar nicht aufgehoben, aber es gab, nachdem Erzbischof Hieronymus Colloredo 1800 ins Exil gegangen war, bis 1824 keinen Erzbischof am Ort. Bald begann das Domkapitel, seit je her eine starke Kraft, wenn nicht ein Widerpart zum Erzbischof, über seine eigene Auferstehung nachzudenken. 1817 regelte ein kaiserliches Dekret zumindest theoretisch die Dotierung des Erzbischofs und des Domkapitels samt seiner zukünftigen Verfasstheit.
Große Verdienste um die Wiedererrichtung kommen Augustin Gruber zu, der 1824 sein Amt als Erzbischof antrat. Nach Abschluss langer Verhandlungen ernannte Kaiser Franz I. im Jänner 1825 die neuen Domkapitulare. Die am 7. März 1825 verabschiedete Bulle „Ubi primum“ von Papst Leo XII. bestätigte im Wesentlichen die staatlichen Regelungen. Das Domkapitel bestand ab nun aus zwölf Kanonikern, für die eine Priesterweihe, aber nicht mehr die Adelszugehörigkeit gefordert war. Zusätzlich gab es zwei „Domizellarkanonikate“ für junge Adelige. Am 25. März 1825 erfolgte bei einem Festgottesdienst die Einsetzung des neuen Domkapitels im Dom.
Tatsächlich hat das Salzburger Domkapitel eine über 1300jährige Geschichte – und entsprechendes Selbstbewusstsein. Im Namen steckt immerhin das lateinische Wort caput (Kopf oder Haupt) oder capitulum (Köpfchen).
Domkapitel entstanden seit dem 9. Jahrhundert, Salzburg war noch früher dran. Diese Priestergemeinschaften lagen im Bereich der Domfreiheit, unterstanden also (so wie Klöster) nicht unmittelbar der jeweiligen weltlichen Herrschaft. Bald mauserten sich die Domkapitel zu Verwaltern der kirchlichen Güter und im Verlauf des 12. Jahrhunderts wurden sie zu exklusiven Kollegien mit dem Recht zur Bischofswahl. Dieses Recht ging den meisten Domkapiteln – nicht aber jenem von Salzburg – bis zum Ende des 13. Jahrhunderts zu Gunsten der Päpste wieder verloren.
Der erste Salzburger Dom wurde von Bischof Virgil (der gleichzeitig Abt von St. Peter war) am 25. September 774 geweiht. Das war auch der Grund, weshalb die Einrichtung eines Domkapitels anstand. Seit 817 führten diese „Kanoniker“ nach der Regel (canon) des Wormser Bischofs Chrodegang ein gemeinschaftliches Leben. Zu den „echten“ Mönchen von St. Peter gab es eine Art Konkurrenzverhältnis. 987 trennte sich ein Teil von der Gemeinschaft und begann unter dem aus Regensburg kommenden Abt Tito in St. Peter eine neue Mönchsgemeinschaft.
Von 1122 bis 1514 lebte der Salzburger Domklerus nach der Regel der Augustiner Chorherren. 1514 wurde die Vereinigung vom Papst in ein weltpriesterliches Domstift umgewandelt. Das Domkapitel wurde zum größten Wirtschaftskörper des Landes. Es hatte zahlreiche Patronatsrechte über Pfarreien, Jagdrechte, Liegenschaften und in der Stadt Kanonikalhöfe. Die politische Macht war nicht zu unterschätzen: 1606 fasste das Domkapitel beispielsweise den Beschluss, dass nie ein bayerischer Prinz oder ein österreichischer Erzherzog in Salzburg Erzbischof werden dürfe. Dieses so genannte Ewige Statut wurde tatsächlich eingehalten.
Nachdem das erste Domkapitel als reichsunmittelbare Institution 1806 untergegangen war (es war die Zeit der Säkularisierung, als Ferdinand III. von Toskana als Kurfürst über Salzburg herrschte), fand am 25. März 1825 die Errichtung des neuen Domkapitels statt. Das mit päpstlichem Breve vom 23. April 1823 zugestandene Wahlrecht des Erzbischofs wurde bis 1918 ausgeübt. Seit dem 1933 zwischen der Republik Österreich und dem Apostolischen Stuhl geschlossenen Konkordat präsentiert Rom dem Domkapitel zu Salzburg drei Kandidaten, aus denen es in freier und geheimer Wahl einen Erzbischof wählen muss.
Was macht das Domkapitel heutzutage? „Unsere wesentliche Aufgabe ist die Verwaltung des Domes, seiner Liegenschaften sowie die Domliturgie und die Pflege der Gemeinschaft in Gebet untereinander. Auch für die Dommusik und das Dommuseum sind wir im Bereich der Domkustodie zuständig“, erklärt Roland Kerschbaum, Diözesankonservator, Pfarrer von Elsbethen und Salzburg-Aigen. Er ist seit 2013 Domkapitular, gemeinsam mit zehn anderen Priestern der Erzdiözese.
Wenn die Salzburger Domherren als Gruppe auftreten, machen sie etwas her: Die Amtskleidung besteht aus einem schwarzen, rot gesäumten Talar mit roten Knöpfen, einer kirschroten Mozetta, einem ebensolchen Birett und einem Brustkreuz, das Kaiser Franz II./I. am 25. März 1827 gestiftet hat.
Zum Jubiläum erscheint die Publikation „200 Jahre erneuertes Domkapitel“
Bilder: Erzdiözese Salzburg/hna (1); dpk-krie (4)