asdf
 

Ein gutes Stück Theatergeschichte

HINTERGRUND / SCHLOTE

17/04/23 Das waren Zeiten! Über Jahrzehnte gehörte Mitte Dezember ein Opern-Gastspiel der Compagnia d'Opera Italiana im Großen Festspielhaus zu den Fixpunkten im Jahrlauf, als Teil des Schlote-Abonnements. Es rechnete für viele Salzburgerinnen und Salzburger neben den Angeboten von Kulturvereinigung und Landestheater zur kulturellen Basisversorgung.

Von Reinhard Kriechbaum

Ein wenig Wehmut kommt auf, wenn man die fünfzig Bühnenfotografien anschaut, die derzeit in der Stadtgalerie Mozartplatz (im langen Gang im ersten Stock der Kulturabteilung) betrachtet. Joachim Schlote, der mit seinem Bruder Michael über dreieinhalb Jahrzehnte lang die Geschicke der seit 1966 in Salzburg ansässigen Konzertdirektion Schlote leitete, ist nämlich auch ein ambitionierter Fotograf – und die Motive hat er sich gleichsam selbst vor die Linse geschafft. Immerhin hat Joachim Schlote als künstlerischer Leiter des Unternehmens mehr als 34.000 Aufführungen in 58 Ländern verantwortet. Oft und oft war er mit vor Ort: „Schon früh wurde der Fotoapparat zum ständigen Reisebegleiter. Das Archiv ist mittlerweile auf zirka 40.000 Aufnahmen angewachsen.“

Die Erinnerung ist noch nicht verblasst. So wie die jährlichen Opernaufführungen der Compagnia d'Opera Italiana gehörten klassisches Ballett mit dem Ensemble der Tatarischen Staatsoper Kasan oder Tanzproduktionen mit der United Dance Company oder der South African Musical Group zu Fixpunkten des Schlote-Zyklus. All das waren komplette Eigenproduktionen des Familienunternehmens, vom Vorsingen weg über die Produktion der Dekorationen, die Ausrichtung der Proben bis zur Tourneeorganisation selbst. Das 2009 initiierte Salzburger Operettentheater war Joachim Schlote zuletzt ein besonderes Herzensanliegen.

Gelegentlich wurden in Salzburg diese Schlote-Produktionen milde belächelt, weil sich die für Tournee-Verhältnisse, also für kleinere Bühnen und Veranstaltungssäle konzipierten Dekorationen, die Projektionstafeln links und rechts für die deutschen Übersetzungen etwas armselig ausnahmen im Großen Festspielhaus. Dafür hat das Salzburger Publikum durch die regelmäßigen Gastspiele der Schlote-Truppen den „klassischen“ Opern-Kanon tatsächlich auf der Bühne kennenlernen können (was das Landestheater allein nicht bieten kann). Und das oft mit jungen, unverbrauchten Stimmen, denen man später auf ganz anderer Ebene wiederbegegnet ist. Die Sopranistin Christiane Karg etwa oder der Bariton André Schuen waren erst einmal mit Schlote unterwegs. Ein solches Erfahrung-Sammeln in der Tretmühle einer Tourneeproduktion bekäme manchem heute vorschnell emporgejubelten Sänger oder Dirigenten durchaus gut.

Aber die Zeiten, die Ansprüche und die Erwartungen des Publikums, das Kulturleben insgesamt haben sich geändert. Schleichend zuerst, dann radikal. In Salzburg ist es erst dem Theaterzyklus (ehemals im Kleinen Festspielhaus) an der Kragen gegangen, und nach 2012 konnte man sich das Große Festspielhaus nicht mehr leisten. Schwer vorstellbar heute auch, dass eine Sprechtheateraufführung des Theaters des Ostens irgendwo wirklich sehnsüchtig erwartet würde. Da haben professionelle freie Theatergruppen landauf, landab im deutschen Sprachraum längst die Themenführerschaft über- und Teile des Publikums mit sich genommen.

Der Inthega-Kongress, einst die wichtigste Theatertagung in Deutschland, hat längst nicht mehr die Bedeutung von früher. Zu der Gelegenheit kommen Kulturverantwortliche aus größeren und kleineren Städten zusammen, Tourneeproduktionen werden vorgestellt, Reisepläne und Auftrittstermine ausgetüftelt.

So wurden (und werden teils immer noch) reizvolle kleine Theaterräume bespielt, an Orten, wo es schon längst keine festen Stadttheater-Ensembles mehr gibt. Der Schreiber dieser Zeilen erinnert sich, Mitte der 1970er Jahre im klassizistischen Theater von Leoben gesessen zu sein, mit eingezogenem Kopf in einer winzigen Loge. Das erste Mal dort gewesen, das erste Mal Kleists Penthesileia gesehen – es war eine Schlote-Produktion.

Manche Erinnerung wird wach vor den fünfzig Theaterfotografien von Joachim Schlote, die im Kulturamt ausgestellt sind: Oper, Operette, Schauspiel, Musical, Tanz. Der Impresario wurde 1949 geboren, da gab es die Konzertdirektion Schlote schon ein Vierteljahrhundert lang. Seine Großmutter Margarethe hatte das Unternehmen 1923 als Niederrheinische Konzertagentur gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Prof. Hans Schlote das Unternehmen zu einem der wichtigsten Tourneeproduktions-Anbieter geformt. Als Konzertdirektion Schlote verlegte man 1966 den Sitz nach Salzburg. 1987 übernahmen Joachim Schlote und sein ein Jahr älterer Bruder Michael die Leitung.

Seit 1948 schon gibt es die Compagnia d'Opera Italiana, die allein es auf über fünftausend Aufführungen gebracht hat. Angeblich wurde über all die Jahrzehnte keine einzige Schlote-Aufführung abgesagt – bis Corona natürlich. Da findet sich ein Foto von 2020, aufgenommen im Ruhrfestspielhaus einen Tag vor dem ersten Lockdown. Ganz wenige Leute, und die tragen schon Mundschutz...

Die gegenwärtige Hundert-Jahre-Jubiläumssaison ist fürs Unternehmen Schlote die letzte – das Ende von einem wichtigen Stück mitteleuropäischer Aufführungsgeschichte. Was Joachim Schlote freilich betont: Wenn es mit den Ensembles, die er bisher vertreten, organisiert und auf Reisen geschickt hat, weiter geht, dann wolle er sich auch fürderhin mit Rat und Tat einbringen. „Wenn ich hier im Hintergrund helfen kann, gerne!“

Die Ausstellung in der Stadtgalerie (Mozartplatz 5, Kulturamt) ist bis 26. April zu sehen – www.stadt-salzburg.at; www.schlote.at
Bilder: dpk-krie (1); Joachim Schlote (4)

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014