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Noten in Echtzeit

HINTERGRUND / NOTEN DIGITAL

16/10/20 Der Wiener Musikverlag Universal Edition betreibt – noch – die Mayrische Musikalienhandlung. Am 30. November ist Schluss mit gedruckten Noten in Salzburg. Liegt die Noten-Zukunft tatsächlich im Digitalen? Gestern Donnerstag (15.10.) wurde die Universal Edition in Frankfurt für das Programm UE now ausgezeichnet. Das ist ein Vertriebssystem für digitale Noten und Partituren.

Von Heidemarie Klabacher

Noch staunen manche im Publikum, wenn ein Streichquartett mit Tabletts statt Notenheften auftritt oder ein Solist vor einer Uraufführung ein schimmerndes Rechteckt aufs Pult legt. Auch Igor Levit hat man, wenn er überhaupt mal Noten mitbringt, vom Tablett spielen erlebt. Nun wurde die Wiener Universal Edition auf der Frankfurter Buchmesse für ihre App UE now mit dem digital publishing award in der Kategorie Produkt/Geschäftsmodell ausgezeichnet.

Noten auf Papier sind offenbar immer weniger gefragt. Einen Kampf wie um die Mayrische Musikalienhandlung in Salzburg haben in anderen Städten andere Traditionsgeschäfte ebenso zu führen. Es gibt davon immer weniger. „Die Gründe für die Schließung liegen zum einen im ständig steigenden Druck des Wettbewerbs aus dem Internet. Zum anderen gibt es im Unterrichtswesen ein gestiegenes Kopieraufkommen, das den Absatz der Notenausgaben immer kleiner werden ließ“, heißt es in dem wohl finalen Statement auf der Website der „Mayrischen“. Auch Umstrukturierungsmaßnahmen oder die Einführung eines eigenen Web-Shops hätten die Entwicklung nicht aufhalten können, der COVID-19-bedingte Umsatzrückgang seit Mitte März 2020 habe den wirtschaftlichen Druck nochmals erhöht. Letztlich  müsse sich „das Unternehmen der wirtschaftlichen Realität stellen und schließe daher die Filiale“ in Salzburg.

Was ist UE now? Das Programm für Tablett, Smartphone oder Desktop ist seit November 2019 auf dem Markt. Begonnen habe man mit tausend Titeln, das Notenangebot werde „kontinuierlich auf den gesamten Katalog der Universal Edition ausgeweitet“, heißt es in einer Presseaussendung. Luft nach oben also – immerhin umfasst das Gesamtprogramm des Verlags derzeit 32.000 Titel.

Das Umblättern auf dem Tablettt funktioniert via Fußschalter oder per Fingertippen. Man kann Fingersätze oder eigene Vortragszeichen digital hineinschreiben – so wie auf „echte“ Notenblätter. Eine weitere Option sei das Importieren eigener Notendateien in jedem Format. Am Ende seien „eigene und erworbene Noten in einer Bibliothek am Endgerät vereint“, so der Verlag.

Aus der Begründung der Jury zum digital publishing award: „Das Besondere ist, dass Musikmaterial nicht mehr nur als PDF, sondern als mobile App publiziert wird - und zwar erstmals für den Bereich klassischer Musik, für private und professionelle Musiker.“ UE now mache erstmals auch gemeinschaftliches Musizieren und Arbeiten an den digitalen Noten möglich.

Bisher seien klassische Musikverlage kaum als Pioniere in Sachen digitale Innovation in Erscheinung getreten, so die Jury. So also trage „der Notenverlag Universal Edition zur digitalen Transformation dieser Branche“ bei. Die Jury sieht obendrein eine Chance: Ein Verlag wie die UE könnte künftig als Plattform-Provider auftreten und Angebote von Mitbewerbern einbeziehen.

Schafft sich ein Notenverlag mit einem solchen Angebot selber Konkurrenz? Hilft er gar mit beim Todesstoß für „analoge“ Notengeschäfte wie die Mayrische? Ist das Ende gedruckter Noten eingeläutet? Viel Diskussionsstoff.

www.universaledition.com
newzik.com
magazin.digital-publishing-report.de
Bild: UE
Zum dpk-Bericht über das Ende der „Mayrischen“
Seit 1592. Jetzt ist Schluss.

 

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