Kinderrechte und Landesverteidigung
IM WORTLAUT
12/09/23 Zwei Offiziere überpüfen derzeit die Schulbücher auf die Inhalte in Sachen Landesverteidigung. Wer hat in dieser Kommission eigentlich ein Auge auf die Kinderrechte? Andrea Holz-Dahrenstaedt, Kinder- und Jugendanwältin des Landes Salzburg, hat im Namen ihrer Kolleginnen und Kollegen einen Offenen Brief an Bildungsminister Martin Polaschek geschrieben.
Von Andrea Holz-Dahrenstaedt
Ein neues Schuljahr mit vielen Herausforderungen hat soeben begonnen. Überbordende Bürokratie, zu große Klassen, zu viel Stoff, der lehrplangemäß abzuarbeiten ist, viel zu wenig Ressourcen für individuelle Förderung und die unterschiedlichen Belastungen, die Schüler und Schülerinnen mitbringen, Mobbing, Angst vor Versagen und Ausgrenzung... um nur einige zu nennen. Die Versäumnisse der letzten Jahre machen sich nun bemerkbar.
Der Lehrkräftemangel ist dabei nur die sichtbare Spitze des Eisbergs.
Jetzt scheint man die Lösung gefunden zu haben. Neben den Quereinsteiger:innen aus diversen Berufen sollen nun auch Soldat:innen den Personalmangel in den Schulen ausgleichen. Bei aller Wertschätzung für die Leistungen des Bundesheers und andere Berufsgruppen hat es den Anschein, als wären für den Lehrberuf keine speziellen Qualifikationen mehr notwendig. Wer es sich zutraut, unterrichtet, überspitzt formuliert. Wie erklärt man das aber den jungen Studierenden, die die vorgeschriebene Ausbildung absolvieren? Wozu sollen sie sich das antun, wenn ganz offen suggeriert wird, dass es auch ohne mühsames Lernen geht – mit gleicher Entlohnung wohlgemerkt! Welche Auswirkungen hat dieses Personal Recruiting auf das Image des Lehrberufes? Hat man sich darüber ausreichend Gedanken gemacht? Längerfristige Planung sieht anders aus: Seit Jahren ist bekannt, wann die Pensionierungswelle der geburtenstarken Jahrgänge von Lehrpersonen heranrollt.
Zur engeren Kooperation zwischen Bildungs- und Verteidigungsministerium werden nun zwei Bundesheer-Offiziere für die Schulbuchkommission abgestellt. Um das Thema Landesverteidigung in den heimischen Schulbüchern zu überprüfen und Schüler:innen verstärkt dafür zu sensibilisieren. Grund dafür ist die umfassende Landesverteidigung, die in den Lehrplänen steht.
Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs fordern auf, den Kinderrechten mindestens so viel Gewicht einzuräumen und die Grundsätze der UN-Kinderrechtskonvention, Soziales Lernen inklusive der Peer-Mediation als friedliche Streitschlichtungsmethode in alle Lehrpläne aufzunehmen. Gewichtige Grundlagen gibt es genug: Gemäß Artikel 29 ist Kindern die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten und den in der Kinderrechtskonvention verankerten Grundsätzen zu vermitteln. Sie sind auf ein verantwortungsbewusstes Leben in einer freien Gesellschaft im Geist der Verständigung, des Friedens, der Toleranz... vorzubereiten.
Ähnlich lautet auch der Artikel 14 unserer Bundesverfassung, die darin Demokratie, Humanität, Solidarität, Friede und Gerechtigkeit sowie Offenheit und Toleranz gegenüber den Menschen als Grundwerte der Schule festschreibt. Die jungen Menschen sollen durch bestmögliche Bildungsqualität befähigt werden, in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken.
Damit ebendiese jungen Menschen über das wichtige Thema der Kinderechte informiert und sensibilisiert werden und die darin verankerten Bildungsziele auch in Schulbüchern entsprechend abgebildet sind, ersuchen wir um die Erweiterung der Schulbuchkommission zum zwei Vertreter:innen der kijas Österreichs. Wo ein Wille, da ein Weg.
Grundsätzlich möchten wir aber einmal mehr die Notwendigkeit einer umfassenden Reform des Schulsystems betonen. Eine Schule, die für alle, die dort arbeiten und lernen, ein lebenswerter Raum ist, mit echter Mitbestimmung, echter Schulautonomie, entrümpelten Lehrplänen, Zeit und Raum für informelles Lernen, Förderung von vernetztem Denken und musischen Fächern, mit ausreichendem administrativem und psychosozialem Unterstützungspersonal .... Damit könnte man den Lehrberuf wieder aufwerten, ihm die notwendige Wertschätzung entgegenbringen, die vielerorts fehlt.
Dann würden auch wieder mehr Menschen diesen so wichtigen, anspruchs- und verantwortungsvollen Beruf ergreifen. Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs bringen sich gerne in diesen Reformprozess ein.