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Die Dauerdiskussion um Lehrpläne

KOMMENTAR

Von Wolfgang Stern

20/02/23 Bildung ist nach wie vor ein Thema, bei dem einfach alle mitreden wollen. Somit haben wir in Österreich nahezu acht Millionen Bildungsexperten, die wissen wollen, wo die Stärken und Schwächen unseres Systems, nämlich der Schulbildung, liegen.

Für den kürzeren oder längeren Weg durch einzelne Schultypen muss es natürlich Regeln, Vorschriften und Ziele geben. Dafür gibt es die Lehrpläne, die gerade wieder einmal heiß diskutiert werden und vor einer neuen Auflage stehen. Das Fundament für die Schule wird erneuert, die Zeit schreitet voran, Anpassungen an neue Entwicklungen, vor allem im digitalen Bereich, sind unumgänglich, ja notwendig. Und in dieser Phase fühlen sich alle Pädagogen und Nichtpädagogen aufgerufen, ihren „Senf“ beizutragen und oft die Notwendigkeit in der Unnotwendigkeit zu suchen. Politisches Hick-Hack gehört zu diesem Schauspiel dazu, Begutachtungen und Stellungnahmen sollen und können in das Endprodukt einfließen. Ein neues Opus entsteht. Waren die alten Lehrpläne wirklich schon so veraltert? Hätte man nicht mit Ergänzungen auskommen können? Waren in den verschiedenen Kommissionen wirklich die innovativsten, erfahrensten und fachlich versiertesten Personen integriert? Ein bisschen könnte ich davon erzählen, zumal ich viele Jahre einer Kommission für den Lehrplan für Musikerziehung an Musikhauptschulen (heute Musikmittelschulen) angehörte. Etliche Sitzungen gab es, nicht die Inhalte, sondern die Formulierungen nahmen viel Zeit in Anspruch. Endlich glaubte man, nach bestem Gewissen zum Abschluss gekommen zu sein, doch dann noch eine Abänderung da, eine Anpassung dort...

Lehrpläne sollen die Basis für die pädagogische Arbeit sein. Daher ist die Wichtigkeit eines solchen Papiers nicht zu bestreiten. Trotzdem wage ich auch als pädagogischer Pensionist zu behaupten, dass es Pädagogen gibt, die noch nie einen Lehrplan ihres Schultyps in der Hand hielten oder im Computer gespeichert haben. Es handelt sich bei meiner Feststellung um kein Vorurteil, eine Schnellbefragung könnte zum ähnlichen Ergebnis führen. Außerdem ist die Notwendigkeit fast in Frage zu stellen, zumal Schulbücher und Arbeitsunterlagen meist approbiert sind und somit den einzelnen Lehrplänen entsprechen müssen. Die Forderungen eines Lehrplanes müssen in den entsprechenden Lehrbüchern und Arbeitsunterlagen indirekt beinhaltet sein, da es sonst keine Zulassung seitens des Ministeriums gibt. Die Autoren eines Lehrwerkes sind also angehalten, sich nach dem Lehrplan zu halten und Neuerungen einzubringen und am Ende approbieren zu lassen. Neben echten Profis wollen Eltern, die Politik, die Wirtschaft – ich las unlängst in einer Zeitung – auch Schüler, und andere Institutionen an solchen pädagogischen Produkten mitreden. Ich erinnere an meine spitze Formulierung, dass wir in Österreich rund acht Millionen selbsternannte Pädagogen haben, vor allem dann, wenn der Hut brennt.

Wo ist der Bedarf für neue Lehrpläne wirklich am größten?

Ich meine, dass dies im Ausbildungsbereich, den Pädagogischen Hochschulen und Universitäten, der Fall ist. Die Kopflastigkeit nimmt zu, der Bezug zur Praxisausbildung nimmt eher ab oder stagniert. Trotz Lehrermangel in verschiedenen Fächern und Schultypen müssen die Aufnahmekriterien zu pädagogischen Anstalten verstärkt und verbessert werden. Die relativ gute Bezahlung der Lehrer und die hohe Anzahl an Ferientagen – es sind mehr als 12 Wochen – darf nicht einziges Kriterium sein, diesen verantwortungsvollen Beruf zu ergreifen. In der zu geringen praktischen Ausbildung sollte und müsste mehr durchgegriffen werden. Relativ leicht kann Geschick, Gespür und Freude am Umgang mit den heranwachsenden jungen Menschen erkannt werden. Nicht alles ist lernbar.

Manche Gegenstände sind in der Ausbildung an den Rand gedrängt, nehmen wir als Beispiel nur die Ausbildung in Musikerziehung für das Lehramt an Volksschule her. Ein Jammer, dieses Stundenangebot. Friedrich Nietzsche würde sich nochmals energisch wiederholen: „Ohne Musik ist das Leben ein Irrtum!“

Innere Werte sollten im Bildungswesen nach wie vor eine große Rolle spielen. Noch ist es nicht so weit. Die Hoffnung bleibt, vielleicht bei der nächsten Erneuerung der Lehrpläne, vor allem in den Lehrplänen, die die Ausbildungen betreffen.

DrehPunktKultur-Mitarbeiter Wolfgang Stern ist pensionierter Direktor der Musikhauptschule (jetzt Musikmittelschule) Ferdinandeum in Graz, Begründer dieses Schultyps und ehemaliges Mitglied einer Lehrplankommission

 

 

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