Und geimpfte Männer auch noch!
GLOSSE
Von Reinhard Kriechbaum
19/04/21 Ganz am Ende der Presseaussendung kommt „eine Information noch“, und die hat's in sich: „Die Akteur*innen, die in der freien Szene aktiv sind, sind zu mehr als 70% weiblich. Die Wiener Philharmoniker weisen lt. Website einen Männeranteil von 86,5% auf.“
Pfui Teufel! Und dieser Männerverein – jede Wette, dass es in der Mehrzahl weiße Männer sind – wurde gegen Corona geimpft! Das macht die IG Freie Theaterarbeit „fassungslos“. Denn es eröffne „eine Neiddebatte, die gerade zu dieser Zeit äußerst kontraproduktiv ist“.
95 der 148 Mitglieder der Wiener Philharmoniker haben also in der vergangenen Woche die erste Impfdosis bekommen. Biontech/Pfizer, das auch noch! Gleich fallen wir ein in die frisch losgetretene Neiddebatte und über Wien und seine Philharmoniker her. Gehen tut es vorrangig um Riccardo Muti und die Mailänder Scala. Eine Delegation der Philharmoniker, eben jene frisch geimpften 95 Musikerinnen und Musiker, sollen dort spielen (das Konzert wird übertragen). Die Scala bestand angeblich drauf, dass nur Geimpfte ins Haus kommen. Auch für ein paar andere Medien-Projekte sollen die Philis möglichst einsatzfähig sein. Es drohten Pönalezahlungen, heißt es.
Die IG Freie Theaterarbeit sieht ein „Klassendenken“ und ergo einen „Schlag ins Gesicht aller anderen Künstler*innen in Wien und Österreich“. Das Infektionsrisiko in der darstellenden Kunst betreffe „sehr viel weniger“ das Publikum als Künstler während der Probenarbeit. Die IG Freie Theaterarbeit will natürlich möglichst viele Künstlerinnen und Künstler geimpft sehen und ortet schreiende Ungerechtigkeit: „Ist die Arbeitsgrundlage und das Einkommen dieser Menschen, die oft nicht von Häusern und Institutionen geschützt, versichert, bezahlt und getragen werden weniger wert als – angebliche – Pönalezahlungen von Institutionen?“
Immerhin: 64 Prozent der Orchestermitglieder sind erstgeimpft. Das ist mehr als die Impfquote zum Beispiel der Salzburger Lehrer, und auch in manchen Spitälern und Betreuungseinrichtungen ist das Personal deutlich reservierter. Wenigstens taugen die philharmonischen Männerbündler als Impf-Vorbilder.