Von Bach begrüßt?
STICH-WORT
13/05/22 Hat Johann Sebastian Bach Salzburger Heimatvertriebenen im Jahr 1732 persönlich eine musikalische Grußbotschaft überbracht? Das wäre eine reizvolle, aber natürlich nicht zu beweisende Annahme. Jedenfalls war Bach damals gerade Thomaskantor in Leipzig.
Von Reinhard Kriechbaum
Im Jahre 1731 wurden gut 20.000 Protestanten aus Salzburg aufgrund ihrer Konfession des Landes verwiesen und zum Teil gewaltsam vertrieben. Ein großer Flüchtlingstreck erreichte im Jahre 1732 auch die Stadt Leipzig. Die hier ankommenden Salzburgerinnen und Salzburger wurden vom Rat der Stadt und einer Abordnung des Thomanerchors begrüßt. Weitere Dankgottesdienste in der Stadt Leipzig sind auch für die Thomaskirche, Bachs damalige Wirkungsstätte, bezeugt.
Die musikwissenschaftliche Legende, „dass Bach aus Anlass der Ankunft der Salzburger Exulanten in Leipzig die Kantate Brich dem Hungrigen dein Brot komponiert habe, mag zu Herzen gehen, ist wohl eine musikwissenschaftliche Legende“, erklärt Gordon Safari, seit 2014 Diözesankantor der Evangelischen Superintendenz Salzburg & Tirol.
Als Leiter des Ensembles BachWerkVokal wird er am kommenden Sonntag (15.5.) dennoch diese Bach-Kantate aufführen, in einem Programm, das musikalisch von Salzburg nach Leipzig führt. „Der Flüchtlingsstrom der Salzburger Exulanten schrieb eine eigene europäische Kultur- und Musikgeschichte“, erklärt Safari. Das Abendprogramm verwebe im Sinne dieser Wanderung Werke von Komponisten der Salzburger Hofmusik – Heinrich Ignaz Franz Biber, Biber, Matthias Sigismund Biechtele und Mozart mit Liedgut der Salzburger Exulanten und spannt den Bogen bis hin zum Kantatenwerk Bachs. Dessen Kantaten Sie werden euch in den Bann tun BWV 44 und Brich dem Hungrigen dein Brot BWV 39 greifen jedenfalls inhaltlich auf, was sich in den Jahren 1731/32 in Salzburg abspielte.
„Spricht erstere Kantate von Verbannung und drohender Gewalt aufgrund von Glaubensüberzeugung, wendet sich letztere dem Aspekt des Mitleidens und -fühlens zu, das gemäß christlicher Ethik Notleidenden zuteilwerden soll“, so der evangelische Kirchenmusiker. „Die Aktualität dieses Programms braucht nicht weiter hervorgehoben zu werden.“
„Brich dem Hungrigen dein Brot und die, so im Elend sind, führe ins Haus“, zitiert Safari aus dem Kantatentext. Für jene, die sich in der Bibel auskennen: In Jesaja 58,7 findet sich die Stelle. Der Dichter, der den Text für die Rezitative und Arien lieferte, ist unbekannt. „Wir nehmen Bach beim Wort“, so Gordon Safari, „und spenden einen Teil der Einnahmen der Flüchtlingshilfe in Salzburg.“
Von der Salzach an die Pleisse, Konzert am Sonntag (15.5.) um 18 Uhr in der Christuskirche – www.bachwerkvokal.com
Bilder: dpk-Archiv (2); www.gordonsafari.com (1)