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Eine Stimme, gereift wie guter Wein

FESTSPIELE / CANTO LIRICO / FLOREZ

02/09/24 Was kann es Schöneres geben an einem heißen Sommer-Nachmittag, als zwei gute Stunden im gut gekühlten Großen Festspielhaus mit dem tenoralen Entertainer Juan Diego Flórez und seinem charmanten Klavierbegleiter Vincenzo Scalera zu verbringen. Dies ist Unterhaltung auf höchstem Niveau, voll edlem Belcanto und sympathischem Temperament, gekrönt von spitzbübischem Witz und glänzenden hohen C's.

Von Gottfried Franz Kasparek

Juan Diego Flórez ist in bester Form. Der Beginn des Recital läuft sehr seriös und barock ab und es ist sehr schön, dass der immer noch auch stimmlich jungenhaft schlanke Sänger die Arien aus Paride ed Helena, dem Stiefkind unter Glucks Reformopern, aus Händels Semele und Alessandro Scarlattis L'honestà negli amore in ihrer Mischung aus Liebessehnsucht und Naturbetrachtung nicht artifiziell säuselt oder allzu sehr romantisiert, sondern mit sensibler Diktion und bezwingender Kantilene einfach und ehrlich singt. Natürlich ist die Stimme des auch schon ein halbes Jahrhundert alten Flórez gereift, aber so wie guter Wein. Die Mittellage ist tragfähiger geworden, die zarte Höhe breiter, aber weiterhin strahlkräftig, die Eleganz des Ausdrucks ist unverkennbar und die Fähigkeit zu spielerisch natürlich klingenden Verzierungen nicht verloren gegangen.

Letzteres zeigt sich deutlich, nachdem Vincenzo Scalera mit Une Bagatelle aus den „Sünden des Alters“ Gioachino Rossinis kurz und bündig in die Welt der romantischen Bellezza führte. Der Tenor bietet nicht nur die Kavatine, sondern auch das Recitativo des Oreste aus Rossinis kaum bekannter Griechen-Oper Ermione, eine Nummer voll intensivem Gefühl und glorioser Gesangskunst. Gleich die ganze Szene des Roberto Devereux aus Gaetano Donizettis gleichnamiger Oper sorgt dann vor der Pause für Furore. Eine Lehrstunde über intensiven Belcanto, der in der Stretta zum frühen Verdi führt. Juan Diego Flórez scheint keinerlei Mühen damit zu haben, alles fließt leicht und gleichzeitig gefühlvoll, als wäre es das Natürlichste von der Welt, menschliche Leidenschaften in dieser Form auszudrücken. So soll Musiktheater sein und es verwundert nicht, dass der Jubel des Publikums schon zwischen Kavatine und Stretta ausbricht.

Nach der Pause gab es zwei Zarzuela-Schlager. Doňa Francisquita von Amadeo Vives, sozusagen einem spanischen Lehár mit starker Neigung zur Oper, wäre durchaus einmal ein Tipp für eine den Horizont erweiternde szenische Festspiel-Produktion. Die emotional glühende, doch südlich vitale Romanze des Fernando aus dem im Theatermilieu angesiedelten Stück machte große Lust auf mehr – freilich braucht man dazu neben einer spielfreudigen Sopranistin erster Güte einen strahlenden Tenor mit Stilgefühl und einer Portion Witz wie diesmal. Ähnliches gilt für El último romántico des versierten Komponistengespanns Reveriano Soutullo und Juan Vert, die um eingängige Schlagermelodien nicht verlegen waren. Die oft dem Verismo nahe „spanische Operette“ ist, selbst in ihren leichtgewichtigeren Stücken, eindeutig für Opernstimmen geschrieben.

Der Pianist weckte mit dem Intermezzo Nr. 1 e-Moll des Mexikaners Manuel Ponce das Interesse, sich näher mit den Klavierwerken des Gitarremeisters zu beschäftigen, Das klingt, wie wenn Schubert und Chopin gemeinsam Urlaub am Meer gemacht hätten. Darauf folgte ein weiteres Stiefkind des Repertoires, die bretonische Legende Le Roi d'Ys von Édouard Lalo, ein sehr typisches Werk jenes französischen „Wagnerisme“, das für unsere Ohren kaum nach Wagner klingt, sondern nach den Weg zu Debussy bahnender sehr französischer Oper. Juan Diego Flórez kann das mittlerweile sehr gut, verleiht seiner unverkennbar lyrischen Stimme edelmetallische Klänge und wird in der Arie des Mylio wie das ganze Konzert lang hingebungsvoll von Vincenzo Scalera begleitet. Danach passen die betörenden Liebesschwüre von Charles Gounods Faust perfekt. Jener kleine, feine Gelegenheitswalzer Giuseppe Verdis, den Nino Rota für Fellinis Film Il Gattopardo zum Weltschlager gemacht hat, führt zur großen, aufwühlenden Szene des Rodolfo aus Luisa Miller, intensiv gesungen und dargestellt.

Der Publikumsjubel bewirkt den üblichen Zugabenreigen mit zündenden Arien von Donizettis Nemorino aus dem Liebestrank und Gounods Romeo – und zwischendurch verwandelt sich der Tenor in eine Art „Cantautore“, der sich selbst auf der Gitarre begleitend herzerfrischend humorvoll lateinamerikanische Lieder zum Besten gibt. Dass er singend Klavier spielen kann, zeigt er auch, während der Pianist „vergessene“ Noten holt – nämlich die zur ultimativen, mit kostbarstem Schmelz wundersam verinnerlicht gestalteten Schlussnummer Dein ist mein ganzes Herz von Franz Lehár. Zu Herzen gehende Gesänge von der Liebe standen ja schon den ganzen Nachmittag im Zentrum.

Bilder: SF / Marco Borrelli

 

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