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Ein Abend für die Trüffelschweine

MotzART KABARETT FESTIVAL / CHRISTINE PRAYON

09/02/15 „Kant hat sein ganzes Leben lang Kabarett gemacht, und alle haben’s für Philosophie gehalten.“ Vielleicht ist das einer der Angelpunkte für den deutschen Humor. Gibt es ihn überhaupt? Danach fragte Christine Prayon am Abschlussabend des Kabarettfestivals in der ARGEkultur.

Von Reinhard Kriechbaum

„Diplom-Animateuse“ mit Comic-Diplom als Zusatzqualifikation: Das klingt ein wenig nach der Loriot’schen, an der Volkshochschule graduierten Jodelschnepfe. Christine Prayon jodelt nicht, aber sie hat sonst alle Register der Stimmverstellung und Vokalartistik drauf, wenn sie sich einen extrem kurzweiligen Abend lang dem deutschen Humor auf die Spur setzt. Gibt es ihn überhaupt? Und wenn ja, mehr als in homöopathoischer Dosis? Glaubt man ihr, dann ist das Überleben als Ulknudel dortzulande jedenfalls nicht ganz einfach.

Da steht also – „jetzt mal im Ernst“ – eine junge Dame dem Publikum gegenüber. Künstler und Zuschauer, das sei so etwas wie eine Beziehung, doziert sie. Sie macht Mätzchen und wir schauen zu? „So läuft das nicht in einer Beziehung!“ Zudem ist der Altersunterschied gravierend bei dieser seltsamen Paarbeziehung, das muss man am achten und letzten Abend von MotzArt in der ARGEkultur auch mal festhalten. Das Publikum für das Genre – nicht nur in Salzburg – ist deutlich in die Jahre gekommen, aber es hält sich gut und frisch. Es ist ja eine Art Jungbrunnen, wenn man jemanden wie Christine Prayon vorgesetzt bekommt, die in jüngster Zeit in Deutschland so gut wie alle Kabarett-Preise eingeheimst hat, die was gelten in der Branche. Der Kabarett-Betrieb sieht ein wenig nach Einbahnstraße aus: Wir bekommen immer wieder junge, neue, erquickende Kabarett-Ware. Das wirklich junge Publikum verirrt sich aber eher nicht ins Kabarett. Das ist, wie gesagt, nicht nur in Salzburg so. Es besteht generell akuter Verjüngungsbedarf.

Christine Prayon wäre eine gute Wahl, um einzusteigen. Das überdreht kreischende Springinkerl, das da auf die Bühne düst, ist ja nur eine Facette. „Mein Humor ist das nicht“, wird sie bald erklären und ganz andere Töne anschlagen. Christine Prayon ist eine Schauspielerin, wie man sie in der Kabarettszene nicht so bald findet. Bltzschnell schlüpft sie (ohne Gewandwechsel) von einer Figur in die andere, und da kann auf der Bühne schon eine ansehnliche Menge schräger Typen zusammenkommen, die wie irr durcheinander quasseln und sich Bosheiten an den Kopf werfen. Oder auch messerscharfe Liebenswürdigkeiten, vor denen man sich genau so lieber in Acht nehme.

Letztlich geht es im Programm „Die Diplom-Animatöse“ nicht um Unterhaltung mit Getöse, sondern um eine an Zwischentönen erstaunlich reiche Selbstreflexion der Unterhaltungskunst. Das ist im Kunterbunt der Szenerien jener rote Faden, von dem Christine Prayon einmal sagt, das Publikum müsse ihn selber aufspüren gleich einem Trüffelschwein. Wie gern waren wir an dem Abend Trüffelschweine, die Ausbeute war hoch. Und manchmal vergeht einem sogar bei Christine Prayon das Lacheln, in jener Chanson-Nummer etwa, in der sie sich als Diseuse selbst abtakelt, von einer unsäglichen Stelle in der Hose eine rote Nase angelt und schließlich als trauriger Clown an einer Überdosis Fisherman‘s Friends zu Tode kommt. Der Rest ist Nach-Ruf, aber wir ahnen es sogleich und bekommen es bestätigt: Eine multiple Persönlichkeit wie Christine Prayon (eine von denen, deren Mundwerk man wahrscheinlich einmal extra wird erschlagen müssen) kann höchstens in einer Rolle untergehen.

Ein kleiner Zettel als Vermächtnis: „Ein halber Laib Brot, Tomaten und Klopapier“, steht drauf. Ein solcher Ausstieg aus zwei Dreiviertelstunden tief-gründelndem Geistes-Tohuwabohu muss einem erst einfallen.

Nun ist mal Kabarett-Pause in der ARGEkultur, aber im März geht es weiter: mit I Stangl (6.3.), Quasthoff & Frowin (10.3.) und Puntigam & Egersdörfer (26.3.) – www.argekultur.at
Bilder: www.christineprayon.de / Matthes Schrof (1); Alexander Hätterle (2)

 

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