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Bist du bereit für deine Zeit?

LANDESTHEATER / MOMO

12/11/12 Auf der Bühne liegt zerknüllt ein großes, blaues Tuch. Darunter bewegt sich etwas. Aufgeregt kichern die jungen Zuschauer. Und dann taucht sie auf – mit Wuschelkopf und buntem Flickenrock: Momo, die in den Mauerresten eines Amphitheaters lebt und innerhalb kürzester Zeit Freunde um sich schart.

Von Ursula Trojan

Man weiß nicht genau, wer sie ist, wie alt sie ist oder wo sie herkommt. Sie ist einfach da, hört gut zu und kann allein durch ihre Anwesenheit Streit schlichten und Versöhnung hervorrufen. Erwachsene wie Kinder lieben sie, und im abenteuerlichen Spiel verbringen sie viel Zeit miteinander. Die Steinstufen des Amphitheaters werden in Windeseile zu einem Schiff umfunktioniert, das blaue Tuch verbirgt dann so manches Meeresungeheuer…  So könnte es ewig weitergehen, würde sich nicht langsam die Bedrohung dieser fantasievollen Idylle einschleichen. Zigarren paffende, graue Herren, ihres Zeichens Mitarbeiter der Zeit-Sparkasse, knöpfen den Menschen die in ihren Augen sinnlos vergeudete Zeit ab. Als Momo allein und bestürzt übrigbleibt, weil alle im Stress etwas anderes tun (müssen), schaltet sich Schildkröte Kassiopeia ins Geschehen ein. Sie führt Momo – bedächtig – zu Meister Hora, dem Herrn über die Zeit.

Shantia Ullmann ist diese Momo, die im Handumdrehen die Herzen der Zuschauer erobert. Jedes Kind würde wohl zu gerne mit ihr mitspielen. Sie ist der frische Wirbelwind,  der über die Bühne weht und den Knoten der Zeit-Turbulenzen aufzulösen versucht. Die Schildkröte Kassiopeia ist eine Marionette, die von Eva Christine Just geführt wird. Wenn es ihr allzu stürmisch wird, kann sie blitzschnell den Kopf einziehen. Werner Friedl fegt erst als Beppo Straßenkehrer die Gassen               und residiert dann als Meister Hora in einem tickenden Uhrenhaus. Dass sich dessen Inneres sogar vertikal um sich bewegt, ist eine spannende Art der Dreh-Bühne.

Die ständig neue Sachen einfordernde Puppe Bibi-Girl wird im wahrsten Sinne des Wortes von Lisa Müller-Trede verkörpert: Hochachtung vor so viel Körperbeherrschung in der Szene, in der sie lange Zeit umgekippt – Arme und Beine in der Höhe – liegen muss. Gigi, der Fremdenführer im Amphitheater wird von Florian Stohr gegeben, der Gastwirt Nino von Axel Meinhardt. Britta Bayer fällt als kuriose Friseurin Frau Fusi als erste auf den Betrug mit dem Zeitersparnis-Konto herein. Sie alle beklemmen zwischendurch auch immer wieder als Graue Herren und Agenten mit langen Zahlen- und Buchstabenkombinationen.

Zu Momos Gefolge gehören auch sieben Salzburger Kinder, die sehr präzise agieren, besonders in der Choreografie der Musiknummern. Von Manuela Weilguni stammen das interessante Bühnenbild und die zum Teil recht originellen Kostüme: Unter anderem trägt der Gastwirt einen Geschirrtuch-Anzug, zwei Touristen sind in ein lustiges Globus-Kleid und ein Landkarten-Hemd gewandet. Marco Dott zeichnet für die Inszenierung dieser anregenden Aufführung verantwortlich.

Michael Ende schreibt: „Zeit ist Leben und das Leben wohnt im Herzen“. Als sein Roman 1973 erschien, war die Welt schon im Beschleunigen, und 1986, als der Film mit Radost Bokel in der Hauptrolle heraus kam, war sie schon ordentlich auf Touren und das Thema entsprechend aktuell. Heutzutage ist „entschleunigen“ ein gängiges Wort. Der Text im Schlusschor des Stücks fordert auf, sich frei und bereit für die eigene Zeit zu machen: „…du bestimmst allein, wie es weitergeht“. Das sei an dieser Stelle auch Eltern, die ihre Kinder „überfördern“, ins Stammbuch geschrieben. Es ist gut, wenn Familien Theatererlebnisse dieser Art zusammen genießen können.

Aufführungen bis 4. Februar 2013 - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Christina Canaval

 

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