Sturm der Begeisterung
SCHAUSPIELHAUS / DER STURM
11/11/24 Der Sturm von 1611 gilt als Shakespeares Schwanengesang und Summe einer Konzeption zu Macht und Ohnmacht der Bühne. Er wird im Schauspielhaus in der Regie von Robert Pienz zum spielerischen Vermächtnis auf einer Insel aus ausfransenden Brettern, die zwar die Welt bedeuten, hier aber als Rampen schräg in den Raum ragen...
Von Erhard Petzel
Im Spiel des Lichts (Marcel Busá) ein aufgepeitschtes Meer mit den wüsten Rufen der kenternden Mannschaft. Sonst ein chaotisch durchbrochener Ort im illusionären Wechsel. Ariel (Julia Rajsp) lässt sich von der Besatzung im Band schaukeln, auch Schlafkoje und wandlungsfähiges Turngerät für den artistischen Luftgeist. Die Eroberung der dritten Dimension erfolgt zudem über Seil und Strickleiter, wobei die menschliche Beschränkung nicht verleugnet wird. Wie die ganze Inszenierung von Robert Pienz sehr geschickt mit Metaebenen spielt, sodass das Spiel als solches in Szene gesetzt ist, die Künstlichkeit des Geschehens aber gerade durch das Prototypische einer fiktionalen Welt ganz natürlich entwickelt wird.
Dazu gehören die offenen Ventilatoren ebenso wie Donnerblech und Windmaschine. Sehr gelungen die Live-Musik von Roli Wesp, die im Quartett Stimmung untermalt, Szenen strukturiert, ironisch zitiert und die stilvoll gesungenen Lieder Shakespeares geschmackvoll unterfüttert. Eine beglückende Symbiose von Historizität und Aktualität. Premiere war am Freitag (8.11.) im Schauspielhaus.
Sehr gelungen auch die Straffung des Dramas und die Übersetzung von Tabea Baumann. Der Spott, den Sebastian (Marvin Rehbock) und Antonio (Theo Helm) über Gonzalo (Benjamin Muth) ausschütten, funktioniert nicht nur als Wortwitz. Für des Königs von Neapel Bruder und den Bruder Prosperos, der sich das Herzogtum Mailand unter den Nagel gerissen hat, stellt sich die Insel als Ödnis dar, während der rechtschaffene Ratgeber der Herzöge von Mailand von diesem Ort zum Schwärmen für eine menschenfreundliche Utopie angeregt wird. Das Wesen der Insel liegt also im Auge des Betrachters.
Der Plan der Schurken, bei dieser Gelegenheit Alonso (Antony Connor), den König von Neapel, zu ermorden, wird von Ariel durchkreuzt. Caliban, mit Sophia Fischbacher als Frau besetzt, hängt an Ketten und Leinen, in die sich später auch der trunksüchtige Kellner Stephano (Enrico Riethmüller) und Trincula, mit Kerstin Maus apart zu dessen Frau umgemodelt, fangen werden. Die Komik dieses herabgewirtschafteten Trios ist punktgenau platziert mit witzigen Ideen und Klamauk, der nie plump daher poltert oder überzogen wird. Auch hier angedachter Mord um die Herrschaft über die Insel. Caliban sucht seine Befreiung in neuer Unterwerfung. Setzt er sich zum Schluss die Krone auf, bekommt man abschließend was zum Denken mit, ist die Figur doch bezüglich Herrenmenschentum der Eroberer und Versklavung der Autochtonen zu Beginn der großen Kolonialisierung die größte Herausforderung im heutigen Verständnis.
Denn Prospero ist der Inbegriff des Autokraten, wenn auch die moralische Deutung aus seiner Sicht erfolgt, er seine Rache für erfolgte Kränkung nur auf der inszenatorischen Ebene auslebt und nach dem Happy End alle magische Macht abstreift und als armseliger Mensch ins Publikum Abbitte leistet. So sehr er Ariel liebt, quetscht er ihn aus bis zum letzten Moment, bevor er ihm endlich die Freiheit gibt. Der folgt ihm zwar ergeben, hasst ihn aber nicht weniger als der versklavte Caliban. Auch seine Tochter Miranda (Leonie Berner als quirliger Backfisch) gängelt Prospero unentwegt und muss die Liebesbeziehung zum geretteten Königssohn Ferdinand (Rene Eichinger) mit drakonischen Maßnahmen austesten. Nichts weniger als die völlige Kontrolle über alle und alles ist für seinen absoluten Machtanspruch selbstverständlich. Harald Fröhlich verkörpert diese Rolle mit der stoischen Gelassenheit und der Ausstrahlung des weisen Lenkers, dass ihm uneingeschränkt die Sympathie als gute Kraft zugestanden wird. Eine typische Konstellation für fiktionale Erzählungen, in denen Gut und Böse eindeutig zuzuordnen sind. Dennoch hält Shakespeare auch die Kehrseite der Medaille bereit, indem er zu Wort kommen lässt, wer für den Mechanismus einer für sich selbst gerechten Ordnung zahlt. In vollendetem Sinn gilt für dieses Stück: Theater ist Theater ist Theater. Die Umsetzung durch das Team des Schauspielhauses hat das Publikum in den Sturm der Begeisterung versetzt.
Der Sturm – Aufführungen im Schauspielhaus bis 4. Dezember – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: SSH / Jan Friese