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Das Theater im Alltäglichen

HINTERGRUND / THOMAS BERNHARD INSTITUT

12/06/24 Bei den Wiener Festwochen hat es diesmal Theater in Form von Gerichts-Verhandlungen gegeben  eine Spielart von Applied Theatre. Der Begriff meint eng mit Gesellschaft und Politik verbundene Formen der Bühnenkunst. Am Thomas Bernhard Institut der Universität Mozarteum kann man das seit fünf Jahren studieren.

Von Reinhard Kriechbaum

Es geht darum, Theater in verschiedene gesellschaftliche Felder und Situationen zu tragen und sich fragend in die Welt einzumischen“, heißt es in einer Presse-Aussendung zum zweijährigen Masterstudium Applied Theatre – künstlerische Theaterpraxis & Gesellschaft. Nun könnte man etwas provokant fragen, ob es denn seit den alten Griechen jemals ein anspruchsvolles Theater gegeben habe, das nicht genau diese Absicht verfolgt hat. Applied Theatre, übersetzt Angewandtes Theater, meint jedenfalls Theaterformen, mit denen man sehr offensiv auf die potentielle Kundschaft zugeht. Man holt die Menschen einerseits dort ab, wo sie stehen, und (fast noch wichtiger für viele Theaterleute heute), man führt sie genau dorthin, wo man sie haben will.

Die verstaubte Formulierng von „Theater als moralischer Anstalt“ feiert im Applied Theatre jedenfalls fröhliche Urständ. Das Unterschwellige, Hintergründige ist bei den meisten Formen des Applied Theatre eher nicht daheim, auch die Poesie eher nur ausnahmsweise. Vielleicht werden Theaterhistoriker, wenn sie dereinst zurückblicken auf unsere Zeit, zum Schluss kommen: Manche Vertreter dieser Richtung waren im Herzen doch eher Soziologen oder Polit-Agitateure.

Angewandtes Theater ... ist ein Überbegriff für den Einsatz von Theaterpraktiken und Kreativität, die Teilnehmer und Zuschauer weiterbringen als das Mainstream-Theater. Es ist oft eine Reaktion auf konventionelle Menschen mit Geschichten aus dem wirklichen Leben.“ So definiert die englische Wikipedia das Applied Theatre. Es bedeute „Theaterkunst als gesellschaftliches Handlungsfeld zu verstehen und künstlerische Ansätze in Kontexte zu übertragen und anzuwenden, die nicht notwendig kunst- oder theateraffin sind“ – so die Präsentation des Studiengangs auf der Homepage der Universität Mozarteum.

Jedes Stadttheater, das etwas auf sich hält, hat unterdessen seine „Bürgerbühne“, und aus der als unverzichtbar angesehenen Theaterpädagogik ist das Selbst-Entwickeln von Stücken durch junge Menschen nicht wegzudenken. Es menschelt oft erbarmungslos. Auch Begriffe wie partizipatives Theater, Theater der Intervention, theatre & community fallen ins weite Feld des Applied Theatre. „In diesem Sinn beinhaltet das zweijährige Master-Studium an der Universität Mozarteum die Auseinandersetzung mit und Erfindung von partizipativen, immersiven, interventionistischen, kollektiven und ortsspezifischen Formaten. Applied Theatre verknüpft Praxis und Theorie mit unterschiedlichen Recherche-, Anleitungs- und Inszenierungsprozessen jenseits gängiger Konventionen.“

Die Adressaten dieser Ausbildung müssen zwar Theater-Affinität nachweisen, brauchen aber nicht unbedingt aus dem Theater-Fach zu kommen. „Das Studium richtet sich explizit an Theater- und Performanceschaffende aus nahezu allen Studien- und Praxisbereichen“, heißt es in der Lehrgangsbeschreibung. „Studierende werden eingeladen, das Theatrale im Alltäglichen zu suchen, Interessen in Handlung zu übersetzen und Räume und Menschen jenseits von Theaterkonventionen zu 'lesen'.“

Zum Fünf-Jahre-Jubiläum des Studiengangs kann man in den nächsten Wochen angewandte Beispiele für diese angewandte Theaterpraxis kennen lernen. Ins Programm der Sommerszene eingeknüpft ist der Feminist Cities Walk, ab heute Mittwoch (12.6.) bis Samstag (15.6.). Ein „Wander-Parcours im performativen Grenzbereich zwischen Prozession, Installation und Intervention“ In dieser Wanderung durch die Stadt werde „gemeinsam eine mögliche konstruktive und feministische Zukunft von Salzburg entwickelt.“

Ein echtes Überraschungpaket ist wohl das offene LaborX-XL am 19. Juni. Labor X ist ein offenes Format, in dem jeden Montag ab 17.30 Uhr „Bürger*innen, Menschen, die in Salzburg leben, Studierende und Lebenskünstler*innen“ was auch immer gemeinsam ausprobieren können. Das also zum Jubiläum in XL-Version. Die Radikalen Töchter sind eine deutsche Gruppe aus Theater-Aktivistinnen, die am 21. und 22. Juni ganztägige Workshops zu politischer Aktionskunst anbieten. Es gibt noch Restplätze. Und schließlich findet am 4. und 5. Juli im Theater im Kunstquartier das Masterprojekt After Crisis von Abel Kotorman statt. „Gemeinsam mit Co-Researchern setzt sich Abel Kotorman mit Fragen von Ästhetiken soziopolitischer und persönlicher Krisen auseinander. Interaktive, szenische Archivarbeit bietet hier Einblicke und die Möglichkeit des Fragenstellens.“ Klingt nach einem Angebot für Unerschrockene.

Der Feminist Cities Walk von 12. bis 15.6., 18.30 Uhr – www.szene-salzburg.net
Über das Labor X
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! für die Workshops der Radikalen Töchter am 21. und 22. Juni
Informationen zum Studiengang - www.moz.ac.at
Bilder: Thomas Bernhard Institut / Labor X / khodushyna

 

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