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Klagend alles sagend

LANDESTHEATER IM HAUS FÜR MOZART / TRISTAN UND ISOLDE

02/11/12 Sanft glitzern die Wellen. Das Meer vor Kornwall ist still und friedlich. Doch die Planken des Schiffes ruhen nicht auf dem Wasser. Sie hängen an seidenen Fäden, wie das Schicksal der Menschen: „Tristan und Isolde“ hatte im Haus für Mozart Premiere in einer introvertierten und bewegenden Inszenierung von Eike Gramss. Das Mozarteumorchester Salzburg feierte einen Triumph unter der Leitung von Leo Hussain.

Von Heidemarie Klabacher

altSchiffsdeck und Steg, Palast und Liebeslager hängen an glitzernden Stahlseilen nur wenige Zentimeter über der gefluteten Bühne: Tristan und Isolde haben keinen festen Boden unter sich. Haben überhaupt nie Fuß gefasst im Leben, in der Realität. Wenn diese Menschen (nicht nur die Hauptfiguren, auch ihre Getreuen) sich Halt suchend an die schimmernden Fäden klammern, meint man, Marionetten zu sehen.

Regisseur Eike Gramss erzählt nicht die Geschichte zweier Liebender, die irgendwelche gesellschaftlichen Konventionen gebrochen haben – sei es zu „Ritterszeiten“ oder in der Gegenwart - und daran zu Grunde gehen. Dieses Paar ist von vorne herein aus einer Welt gefallen, in der der todessüchtige Tristan gar nie angekommen ist. Regisseur Gramss macht aber auch keine vordergründig psychisch Kranken aus den Liebenden. Er erzählt ein seltsam trauriges Märchen: Zwei Menschen, nie wirklich in der Realität verankert, sind der Welt abhanden gekommen.

altDass Eike Gramss den Protagonisten keine „moderne“ oder sonst wie vordergründige Story aufzwingt, macht ihr Schicksal so besonders bewegend. Dieser Tristan, diese Isolde nehmen es nicht einmal wahr, dass Sternenzelt und Liebesgrotte über ihren Wonnen zusammenfallen wie Dekorationsstücke (die sie ja sind) und nur mehr Stahl und Beton der Hinterbühne übrig bleiben.

Das Mozarteumorchester unter der Leitung von Leo Hussain lockt die Zuhörer auf den selben gefährlich schwankenden Boden – auf den Boden der Wagner’schen Harmonien, die ohne den sicheren Halt einer fixen Tonart ebenso schwanken, wie die Planken unter Tristan und Isoldens Füßen.

Es ist ein voller, farbenreicher Wagnerklang, aus dem die wundersamen Solopassagen immer wieder herausblühen, wie Hoffnung: Dirigent und Orchester entfalten einen intensivfarbigen aus kräftigen Fäden gewobenen Klanggrund, halten sich keineswegs „bedeckt“, decken aber auch die Sänger nicht zu. Dafür werden die bewusst und spannungsvoll aufgebauten Crescendi so richtig zelebriert. Ein Genuss. Zum Abheben – oder Niedersinken. Das Mozarteumorchester unter der Leitung von Leo Hussain ist jedenfalls der Star der Produktion.

altMichael Baba, von den Tiroler Festspielen Erl als Parsifal, Siegmund und Stolzing bekannt, ist der Tristan dieser Produktion. Seine geschmeidige tragfähige Stimme überzeugte bei der Premiere vor allem in den mittleren Lagen mit ihrem weichen Timbre, hatte aber in den exponierten Linien oder bei Spitzentönen im Fortissimo zunächst die Tendenz wegzubrechen. Tristans grandioses Todesdelirium gehörte dagegen nicht nur darstellerisch, sondern auch stimmlich zu den überzeugendsten Szenen.

Jeanne-Michèle Charbonnet ist die Isolde dieser Produktion. Sie ist eine charismatische Singschauspielern von größter Ausstrahlung und Überzeugungskraft. Die international gefragte Wagnersängerin gebietet stimmlich über eine vielfarbige Palette an Klangfarben und Timbres, hat aber in der Höhe die starke Tendenz zu unkontrolliertem Vibrato. Es war bei der Premiere am Mittwoch (31.10.) musikalisch tatsächlich das größte Manko der Aufführung, dass diese Isolde technisch nicht über ihren hohen Tönen steht. In den „Dialogen“ mit Brangäne, im Hader mit Tristan ebenso wie im Liebesrausch, in der dramatischen Geste und im sanften Schmachten, überzeugte Jeanne-Michèle Charbonnet aber trotz der im Laufe von fünf Stunden stärker werdenden stimmlichen Schärfen.

altTextdeutlichkeit in Wagner’schen Ekstasen ist so eine Sache. Im Haus für Mozart hat man in Summe erstaunlich viel Text verstanden, was natürlich in hohem Maße auch dem transparenten Musizieren des Mozarteumorchesters geschuldet ist. Man war dennoch dankbar für den im Übertitel eingeblendeten Text.

Die mit Abstand überzeugendsten sängerischen Leistungen boten Katharine Goeldner als Brangäne und Detlef Roth als Kurwenal. Als treuer Wärter am Lager des sterbenden Tristan bewegte dieser Kurwenal mit beinahe liedhafter Leichtigkeit in der Phrasierung, Wärme im Klang und souveräner Textdeutlichkeit. Die Brangäne von Katharine Goeldner ist darstellerisch nicht, wie so oft, eine dominante Gschaftlhuberin mit Tendenz zur Hysterie, sondern eine liebevolle wahre Freundin der Verblendeten.

Frode Olsen ist darstellerisch ein bewegender König Marke, stimmlich hätte man sich seiner großen Klage eine schlankere Tongebung, vor allem aber sprachlich da und dort einen Konsonanten statt der gleichförmig offenen Vokale gewünscht.

Die „kleinen“ Partien, die doch so wichtig sind, brachten ebenfalls Glanzlichter: Simon Schnorr bekam für seinen – nun wirklich kurzen – Part als verräterischer Melot beim Schlussapplaus ein verdientes Crescendo. Einar Gudmundson war – inmitten des strahlkräftigen Männerchors der Seeleute – ein selbstbewusster Steuermann. Franz Supper, treuer Recke am Landestheater, eröffnete den Abend mit der Stimme des jungen Seemanns, die mit größter Ruhe und Klarheit von irgendwo hoch oben zu kommen schien. Als naiv-treuer Hirte in Tristans Heimat hatte er einen bewegenden Auftritt im dritten Aufzug zusammen mit dem hervorragenden Kurwenal von Detlef Roth. Hier gehört nun noch das Englischhorn aus dem Orchester herausgegriffen und vor den Vorhang geholt: Sein großes klagendes Lied wusste noch nach beinahe fünf Stunden Oper zu rühren und zu bewegen.

Tristan und Isolde – Aufführungen am 3., 6., 9., 11., und 17. November - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: LT / Jürgen Frahm


 

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