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Russischer Bär, britischer Witz

UNIVERSITÄT MOZARTEUM / „THE BEAR“

16/06/11 Eine wahre Opern-Köstlichkeit aus dem 20. Jahrhundert: „The Bear“ von William Walton. Die Kunstuniversität ist wieder einmal ein innovatives Opernhaus für Salzburg.

Von Gottfried Franz Kasparek

alt„The Bear“ von William Walton dauert nur eine Stunde, aber die hat es in sich. Anton Tschechows Einakter „Der Bär“, geschickt verkürzt, lieferte das Libretto zu der 1967 beim Aldeburgh Festival des Kollegen Britten uraufgeführten „Extravaganza in One Act“. Die Gutsbesitzerswitwe Popova lebt mit ihrem skurrilen Diener Luka, verkörpert vom begabten Singschauspieler Robert Davidson, in einer sonderbaren, trauernden Traumwelt. Von der Bühne im Mozarteum dräut eine Wand mit Schwarz-Weiß-Bildern einer nur vermeintlich glücklichen Ehe mit einem Mann, der jede Gelegenheit zur Untreue ausnützte. Davor gibt sich die sehr attraktive junge Dame, sehr glaubwürdig und mit großer Natürlichkeit verkörpert von Harpa Thorvaldsdottir, mit kräftigem, ins Dramatische drängendem Nordland-Sopran, dem Schmerz der Erinnerungen hin. Der Bär erscheint in Gestalt des ebenfalls noch feschen, aber frustrierten Nachbarn Smirnow und fordert Schulden ein, die der ach so edle Gatte hinterlassen hat. Florian Kresser mit virilem Bariton gibt gute Figur ab, in seinen Wodka-Exaltationen ebenso wie in seiner erwachenden Liebe zur traurigen Witwe.

altEine zutiefst russische Geschichte ist das, mit dem Bären als Symbol schrankenloser Männlichkeit. Waltons transparente Musik für ein 16köpfiges Kammerorchester lotet nicht unbedingt Tiefen aus, aber schafft mit britischem Witz dennoch einen doppelten Boden. Sie ist in jedem Takt pfiffig, pointiert, rhythmisch vertrackt, schwingt sich mitunter zur ariosen  Kantabilität auf, hat ihre Höhepunkte in den Songs der Protagonisten in allerbester Weill-Manier, aber mit dem Operettencharme von Gilbert & Sullivan. Diese perfekte, inspirierte und eminent klangmalerische Theatermusik findet bei dem jungen altEnsemble und dem wieder einmal souveränen Operndirigenten Kai Röhrig beste Anwälte. Röhrig holt alle möglichen Farben aus der Partitur und ist den Sängern ein mitatmender Begleiter.

Es kommt, wie es kommen muss – die Dame wird sich der Irrealität ihrer Trauerarbeit bewusst, nimmt gar eine Duellforderung des nicht nur liebestrunkenen „Bären“ an. Hermann Keckeis inszenierte das mit kundiger Hand; besonders in der wundersam lyrischen Duellszene, in der die neue Liebe so richtig erwacht, gelingt stimmige, psychologisch begründete Personenführung. Die Trauerwand bricht zusammen, dahinter erscheinen viele weiße Luftballons und darin versinkt das zu neuem Leben erwachte Paar, der Mann mit einem symbolischen Bärenkopf, die Frau von ihren schwarzen Schleiern befreit. Die junge Bühnenbildnerin Hanna Rehner muss nach dieser geschmackvollen, dem Werk kongenial entsprechenden, gar nicht teuren Bildlösung sofort großen Häusern empfohlen werden, samt ihrer phantasiebegabten Kostüm-Kollegin Stephanie Forstner.

Das Musiktheater des 20. Jahrhunderts ist an bester Kulinarik reicher, als man denkt. Zu diesem feinen Bärenspaß würde nicht nur Puccinis „Gianni Schicchi“ passen, sondern – als dunkles Gegenbild - auch Bartóks „Blaubarts Burg“, wie Kai Röhrig in einem Gespräch nachher anregte. Opern-Dramaturgen, hinhören – und Publikum, bitte hingehen, ansehen!

„The Bear“ ist noch einmal am Freitag (17.6.) um 19 Uhr im Großen Studio des Mozarteums zu sehen. - www.moz.ac.at
Bilder: Universität Mozarteum / Christian Schneider

 

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