Musik schlägt Energie, Hochbau und Gastronomie
HINTERGRUND / MUSIKWIRTSCHAFT
07/11/24 Die Wirtschaftsleistung der Musik ist genauso wichtig wie jene von Gastronomie oder Hotellerie, bleibt in der Wahrnehmung aber weit dahinter zurück. Dabei ist sie in der Wertschöpfung mit 7,5 Milliarden Euro die drittstärkste Branche in Österreich und erwirtschaftet 2,8 Prozent des BIP. Jeder Musikschaffende generieret 16 weitere Jobs. – Ein Bericht von mica-music austria.
Die neue Studie „Wertschöpfung der Musikwirtschaft in Österreich 2024“ zeigt auf, dass an der heimischen Musikwirtschaft direkt und indirekt rund 117.000 Arbeitsplätze hängen. Das sind so viele Jobs wie im gesamten Maschinenbau und deutlich mehr als im IT- oder im Finanzsektor. Sie erzeugt fiskalische Effekte in der Höhe von 4,35 Milliarden Euro und damit rund 2,8 Prozent des österreichischen BIP.
Beauftragt wurde die Studie vom Fachverband der Film- und Musikwirtschaft, vom Verband der Österreichischen Musikwirtschaft IFPI Austria und von der Musikverwertungsgesellschaft AKM. In Österreich gibt es keine Definition der Musikwirtschaft, wesentliche Bereiche werden in den Wirtschaftsstatistiken nicht beachtet. Dabei geht es nicht nur um Musikaufnahmen, Musikverlage oder Musikveranstaltungen, sondern auch um Unterhaltungselektronik, wie etwa Audiozubehör (Computer, Autoradios, Speichermedien) oder um den Einsatz von Musik in Museen.
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie: Die Kreativen und Musikschaffenden in ganz Österreich bilden, alleine betrachtet, mit rund 7.000 direkt Beschäftigten nur einen kleinen Teil des Sektors ab. Aber dieser kleine Sektor kann als Funke für ein beeindruckendes Feuer und als starker Wirtschaftsmotor gesehen werden, denn durch den Vertrieb über die Nutzung der geschaffenen Werke und Rechte bis hin zum Musiktourismus entsteht eine Bruttowertschöpfung von 7,5 Milliarden Euro im Jahr. „Die neue Studie belegt einmal mehr, dass die heimische Musikwirtschaft nicht nur rot-weiß-rote Identität schafft, sondern auch ein signifikanter Wirtschaftsfaktor ist“, stellt dazu Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft IFPI Austria, fest. „Ein relativ kleiner kreativ-produzierender Kern löst am Ende der Wertschöpfungskette enorme volkswirtschaftliche Effekte aus.“
Grenzt man die Musikwirtschaft sachgerecht ab, gehört sie zu den größten Branchen in Österreich: Im Branchenvergleich liegt sie mit rund 117.000 Arbeitsplätzen, die insgesamt an der Branche hängen, auf Platz zwei hinter dem Einzelhandel (127.000 Jobs). Ein kleiner Kern von rund 7.000 Menschen ist also Antreiber einer Branche mit rund 95.000 direkt und 20.000 indirekt beschäftigten Personen. Bei der Bruttowertschöpfung in Österreich liegt die Musikwirtschaft auf Platz drei hinter dem Gesundheitswesen und dem Landverkehr, noch vor der Energieversorgung, dem Hochbau, dem Lebensmitteleinzelhandel und der Gastronomie. Sie ist mit 56,6 Prozent übrigens mehrheitlich weiblich. Nur 17,7 Prozent der Beschäftigten in der Musikbranche sind selbständig. „Natürlich wäre es schön, wenn die Ergebnisse dieser Studie nicht nur einen kurzen Applaus für die Wertschöpfung der Musikbranche auslösen, sondern wenn dem auch eine aktive Wertschätzung in Form von echter – ja, auch politischer – Unterstützung folgen würde“, sagt dazu Liedermacherin Ina Regen.
„Die Studie zeigt uns: Die österreichische Musikwirtschaft wurde bisher aufgrund fehlender aussagekräftiger Daten enorm unterschätzt. Je mehr aktive und erfolgreiche Kreative im Land tätig sind, desto mehr Effekte erzeugen sie über die gesamte Wertschöpfungskette“, so Georg Tomandl. Der Musikproduzent ist auch Obmann des Österreichischen Musikfonds und der stellvertretende Obmann im Fachverband der Film- und Musikwirtschaft. „Mit jedem und jeder statistisch erfassten Musikschaffenden sind im Durchschnitt weitere 16 Arbeitsplätze in Österreich verbunden, welche oft weniger sichtbar sind, dieses komplexe Ökosystem Musik aber überhaupt erst ermöglichen“, ergänzt Anna Kleissner, Geschäftsführerin der Econmove GmbH und Leiterin des Instituts für Österreichs Wirtschaft. Die Wirtschaftsleistung der Musik sei zwar genauso wichtig wie jene von Gastronomie oder Hotellerie, „bleibt in der Wahrnehmung jedoch weit dahinter zurück“.
Ebenso deutlich wird, was verloren geht: Durch den hohen Importanteil ergibt sich ein hoher Abfluss ins Ausland. Besonders schmerzhaft bemerkbar macht sich das bei der Produktion von Musik für den Einsatz in Radio und TV und bei namhaften Großveranstaltungen. Als direkter Effekt fließen Gagen und Tantiemen in Millionenhöhe ab. Vergleichsweise geringe Importquoten weisen die öffentliche Verwaltung und Ausbildung auf. Wahre Exporttreiber mit schlummerndem Potenzial sind der Musiktourismus und ausländische Studierende. Hingegen stellt der Markt für Musik-Streaming, der immer mehr an Bedeutung gewinnt, „finanziell ein Desaster für Musikschaffende dar“, klagt AKM-Präsident Peter Vieweger.
Für Hannes Tschürtz, den Obmann der Berufsgruppe Label im Fachverband, ist glasklar, welche Schlussfolgerungen aus der nun vorliegenden Studie zu ziehen sind: „Je klüger und besser wir die Kreativen in der lokalen Musikwirtschaft unterstützen können, desto stärker werden die Wertschöpfungseffekte – und mit ihnen der gesamte Bereich.“ Daraus ergibt sich eine Art Handlungsanweisung für die musikalische Zukunft Österreichs: Der Schlüssel zu einer stärkeren heimischen Musikwirtschaft – und damit zum besseren Ausschöpfen von deren wirtschaftlichem Potenzial – sind Investitionen in den musikalischen und musikwirtschaftlichen Ausbildungsbereich, „die für sich selbst genommen schon große wirtschaftliche Effekte bringen“, so der Berufsgruppenobmann.
Österreichs kleiner Musikmarkt könne die notwendigen Investitionen oft nicht alleine stemmen, sagt IFPI-Geschäftsführer Medwenitsch. „Deshalb muss der Staat bereit sein, ausreichend Fördermittel für die heimische Musikproduktion und die internationale Vermarktung – also den Export heimischen Musikschaffens – zur Verfügung zu stellen.“ Auch als Gesetzgeber sei die Politik gefordert: „Die österreichische Musikbranche steht unter Druck. Digitalisierung, global anbietende Streaming-Plattformen, ein verschärfter Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Musikfans und zuletzt die Entwicklungen bei generativer Künstlicher Intelligenz stellen die Musikwirtschaft vor enorme Herausforderungen. ‘Weltberühmt in Österreich‘ reicht längst nicht mehr aus. Um mithalten zu können, braucht es passende gesetzliche Rahmenbedingungen – Stichworte: Urheberrecht, KI-Gesetz und steuerliche Anreize.“
DrehPunktKultur dankt seinem Kooperationspartner Mica Music Austria. Der gesamte Text „Die Musikwirtschaft, ein unsichtbarer Riese“ sowie die pdf-Datei der Studienpräsentation sind nachzulesen auf – www.musicaustria.at