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Lautstarkes Lustspiel

LEHÁR FESTIVAL BAD ISCHL / DER STERNGUCKER

10/08/24 Der Sterngucker war anno 1915 ein Auftragswerk des Wiener Theaters in der Josefstadt – ein Schmerzenskind, das Lehár dreimal überarbeitet hat. In der semikonzertanten Aufführungen beim Lehar Festival Bad Ischl ist die Rarität zu erleben. Zumindest das, was man davon an einem Abend unterbringt.

Von Gottfried Franz Kasparek

Es war die erste Zusammenarbeit Lehárs mit seinem späteren Star-Librettisten Fritz Löhner-Beda, der ein freches Lustspiel mit Musik verfasste, das irgendwo zwischen Feydeau und Arnold & Bach anzusiedeln ist. Der Komponist, mitten in seiner wohl experimentellsten Schaffensphase, schieb dazu quirlige pointierte Komödienmusik, die mit traditioneller Operette sehr wenig zu tun hat. Es gibt keine Arien, dafür eine Ansammlung von witzigen Duetten, Terzetten, Quartetten und in der Urfassung sogar ein, auch nach diesem Abend leider mysteriös bleibendes, „Tratsch-Oktett“. Die Finali sind perfekt durchkomponiert und erfreuen mit ariosen Aufschwüngen und Melodramen. Das typische, melancholisch gefärbte Lehár-Melos setzt sich nur selten durch. Auf echte „Ohrwürmer“ wartet man vergebens, doch es gibt ein betörendes Walzerduett, viele sensibel ziselierte Themen und etliche harmonische Überraschungen, vor allem im kunstgewerblich meisterhaften Finale des ersten Akts.

Leider blieb diese Urfassung nur fragmentarisch erhalten, denn sie war trotz guter Kritiken ein totaler Misserfolg. Die zweite Version mit mehr dem Genre gerecht werdenden, aber eher routiniert als inspiriert gefertigten Nummern mit neuen Texten von Alfred Maria Willner schlug auch nicht ein. Die nächste Fassung wurde in Italien als „La Danza delle libellule“ ein großer Erfolg. Der heute fast vergessene, schillernde Theater-Zampano und Verleger Carlo Lombardo brachte die Sache mit eigenem Libretto und teils adaptierter, teils von Lehár neu komponierter neuer Musik, vor allem Modetänzen, 1922 im Mailänder Teatro Lirico heraus. Im folgenden Jahr erschien diese Version dann unter dem Titel „Libellentanz“ in Wien. Sie wurde später unter anderem in Budapest, London und Paris ein Kassenschlager, der jedoch auch nicht von längerer Dauer war. Nun hat Jenny W. Gregor für Ischl eine halbwegs taugliche Spielfassung erstellt, die so weit wie möglich auf die Urfassung zurückgreift, jedoch die vielen Lücken derselben mit Nummern aus „Libellentanz“ füllt.

Die Crux des Stücks liegt sicher in der seltsamen Handlung. Da verlobt sich im ersten Akt der eigenbrötlerische Astrologe Franz Höfer aus tolpatschigem Ungeschick gleich dreimal mit ihn umwerbenden jungen Damen, während seine flotte Schwester Kitty langsam, aber sicher ihr Glück mit dem von einer der drei verlassenen, etwas zu ernsthaften Lebemann Paul findet. Da das ganze kuriose Liebes-Ringelspiel mit dem Abschlussball eines Mädchenpensionats beginnt, treten auch die jeweiligen Eltern der Mädchen auf, eine Parade des Spießbürgertums. Dazu kommt noch ein ständig verwirrter Kammerdiener, dem eine Soubrette verwehrt bleibt. Sollten die verschollenen originalen Sprechtexte Löhner-Bedas irgendwann wieder auftauchen, die von seinen Bearbeitern seicht und verkrampft komisch verdorben wurden, wäre die Sache vielleicht einen weiteren Versuch wert. Jenny W. Gregor hat zwar das Beste aus dem überlieferten Material gemacht und es wird viel gelacht, aber insgesamt bleiben platte Witzeleien dominierend.  

Leider fällt die Geschichte im dritten Akt in eine Art dramaturgisches Loch, aus dem immerhin zwei Hochzeitspaare herausfinden. Der Sterngucker wird von seiner bevorzugten Liebsten zur Heirat gezwungen. Der junge Regisseur Sebastian Kranner hat das bunte Treiben  ebenso bunt und amüsant arrangiert, Astrid Nowak choreographisch assistiert. Die Kostüme von Jenny Thost entsprechen guter alter Salonoperette. Dass Walter Sachers als kauziger Erzähler meist am Bühnenrand sitzt, macht einerseits den Abend kurzweilig, andererseits müsste er nicht wie ein Musiklehrer jede Nummer ansagen. Sebastian A.M. Brummer als Kammerdiener und in den Rollen sämtlicher Mütter und Väter beherrscht die Kunst des rasanten Klamauks souverän und darf einmal ein schwermütiges Couplet über eine verlorene Liebe namens Josefine singen – dies ist in der Tat die einzige Solonummer!

Marius Burkert widmet sich an der Spitze des patenten Franz Lehár-Orchesters mit der ihm eigenen Fachkenntnis, viel Detailarbeit, Schwung und diesmal oft etwas zu viel Lautstärke einer wegen des kompletten Verlusts des Orchestermaterials der Urfassung wohl mühevoll aus Klavierauszügen, Particellen, Skizzen und den besser erhaltenen weiteren Fassungen zusammengezimmerten Partitur, in der gleichwohl die unverkennbare motivische Eigenart und die geniale Klangmalerei Lehárs immer wieder aufblitzen. Deren allem textlichen Unfug zum Trotz hörenswerte Qualität käme noch besser zur Geltung, würden nicht die bedauernswerten Menschen auf der Bühne mit Mikroports stimmlich und mimisch verunstaltet.

So bleibt, Corina Koller, als Kitty damenhaft und lyrisch wie immer, der am Ende als Lilly im Hafen der Ehe landenden Loes Cools, wieder einmal eine mitreißende Soubrette mit eigenem Profil, der ein wenig Wagners Namensvetterin kess karikierenden Isolde der Sophie Schneider sowie der couragierten Claire Winkelhöfer als Mizzi ebenso Lob auszusprechen wie dem fein artikulierend singenden und sympathisch natürlichen Sterndeuter des Christoph Gerhardus. Matthias Koziorowski ist ein in Maßen elegant gereifter Paul von Rainer. Dass man den gestandenen Zwischenfachtenor mit heldisch trompetender Höhe noch verstärkt, schafft leider mitunter Ohrenpein. Das Publikum jubelte am Ende, in einigen Gesprächen danach war jedoch sehr wohl harsche Kritik am Wahnwitz der Mikrophone zu vernehmen. Mit Verlaub - Operettengäste sind meist nicht so schwerhörig, dass man sie ständig anbrüllen muss.

Weitere Vorstellungen in Bad Ischl am Sonntag (11.8.) um 15.30 sowe am 15. August um 15.30 und 20 Uhr – www.leharfestival.at
Bilder: Lehár Festival / www.fotohofer.at

 

 

 

 

 

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