grenzen*los
TAGE DER ARCHIVE
03/06/06 Geschlossene Räume. Künstliches Licht. Atemluft aus der Anlage. Handschuhe, da kostbar. Atemschutz, da Schimmel. Auch gut für Morde. Eher Albtraum als Traum... Dass Archive unter ihrer – naturgemäß – antiseptischen Oberfläche spannende lebendige Orte sind, zeigen von 4. bis 8. Juni die Tage der Archive.
Von Heidemarie Klabacher
grenzen*los lautet das zunächst überraschende Motto, unter dem einige der wohl verschlossensten und unzugänglichsten Orte in der Stadt ihre Sicherheitstüren öffnen. „Mit den Tagen der Archive rücken wir die wichtige und vielfältige Tätigkeit der Archive in das Rampenlicht. Die darin verwahrten Dokumente, Urkunden und Fotografien sind Zeugnisse der wirtschaftlichen, rechtlichen, politischen und sozialen Entwicklungen der Stadt Salzburg“, so Bürgermeister Auinger. „Archive sind moderne Dienstleister, Forschungseinrichtungen und Kompetenzzentren. Sie speichern nicht nur Wissen, sie sind auch aktiv in der Vermittlung und damit unverzichtbare Institutionen in der Kultur- und Wissensstadt Salzburg.“
Insgesamt fünfzehn Einrichtungen nehmen von morgen Dienstag (4.6.) bis Samstag (8.6.) teil. Insgesamt vierzig Programmpunkte sind angekündigt, darunter Workshops, Führungen, Präsentationen und Vorträge. Historische Kostbarkeiten werden aus dem Bunker geholt, die Gäste können den Expertinnen und Experten bei der Arbeit über die Schulter schauen, mit ihnen reden. Die Tage der Archive „bringen ans Licht, was normalerweise gut verwahrt in den klimatisierten Depots lagert“.
Das Stadtarchiv spannt mit seinem Programm einen Bogen von historischen Aspekten der Stadtgeschichte bis hin zur heutigen Archivarbeit. Bei einer Führung werden anhand unterschiedlicher Archivalien die Grenzziehungen der Stadt Salzburg vom 19. bis ins 20. Jahrhundert nachgezeichnet. Eine Spurensuche im Migrationsarchiv führt zu „sichtbaren“ wie auch „unsichtbaren“ Grenzen, mit denen Migranten konfrontiert sind. Auch in diesem Arbeitsbereich ändert sich vieles mit den Jahren und neuen Methoden: So ist ein Thema eines Vortrags die Entwicklung der Restauration vom mittelalterlichen Handwerk bis hin zum Einsatz von High-Tech-Methoden. Aber Archive bewahren mehr als Staatsakten: „Nicht nur mittelalterliche Urkunden und zeitgeschichtliche Dokumente erzählen Geschichte(n). Eine Führung in die Speicher im Haus der Stadtgeschichte zeigt auch Quellen aus dem Privatleben.“
Das Salzburger Landesarchiv präsentiert Archivalien, die sich mit den Salzburger Grenzen beschäftigen, „insbesondere mit jenen Gebieten im heutigen Bayern, die bis 1816 zu Salzburg gehörten“. Dokumente erzählen von von dieser „unruhigen Grenze“ zwischen Salzburg und Bayern von damals bis heute, nach EU-Beitritt und Schengen-Abkommen. Die neu renovierten Werkstätten stehen offen, den Restauratorinnen und Buchbindern kann man auch hier über die Schulter schauen. Auch Auswanderung gab es schon immer. Das zeigen etwa Dokumente zum Thema „Emigration 1731 – Salzburg grenzt aus“. Manchmal müssen auch Archive ausgemistet werden, ein Bücherflohmarkt im Foyer bietet vor allem Salisburgensien.
Eigentlich ist es doch nicht so überraschend, das Motto grenzen*los: Es geht einfach oft um Grenzen in den alten Papieren oder Pergamenten. So auch im Archiv der Erzdiözese Salzburg, das „Grenzen im Wandel der Zeit“ anhand von Landkarten vom 16. bis 20. Jahrhundert zeigt. Das Archiv der Erzabtei St. Peter präsentiert Briefe, die „vor allem mit ihrem inhaltlichen wie auch ästhetischen Wert beeindrucken“.
Um Briefe, Notizen und Manuskripte geht es besonders in der Arbeit des Literaturarchiv Salzburg. Am Dienstag (4.6.) wird hier der neueste Band der Salzburger Bachmann-Edition „über Grenzen sprechend“ präsentiert. Übersetzungen überschreiten auch Grenzen – nämlich Sprach-Granzen. Zweisprachigkeit ist Thema einer Veranstaltung mit der österreichischen Lyrikerin Cvetka Lipuš. Erstmals lädt das Literaturarchiv Kinder zu einem Workshop „detektivische Archivarbeit“. Auch für Erwachsene gibt es Einblick in die Archivarbeit mit Handschriften und unterschiedlichen Textversionen. Das Salzburger Volksliedwerk und die Salzburger Volkskultur tun sich mit dem Salzburg Museum in Sachen Volksmusik zusammen: Es wird musiziert, man zeigt Autographen des Weihnachtsliedes Stille Nacht.
Einschlägiges stellen die Archive des Landestheaters und der Festspiele vor. Legendär ist das Archiv der Stiftung Mozarteum, diesmal steht das welt-umspannende Netzwerk an Mozart-Gemeinden im Mittelpunkt. Der Tanz hat in Salzburg sein eigenes Archiv: Die Derra de Moroda Dance Archives zeigen Tanzkostüme. Das FOTOHOF archiv zeigt eine Retrospektive der Werke der Fotografin Edith Tudor-Hart im Exil, sowie Bilder zu Leben und Werk von Heinz Cibulka und Heidi Harsieber. Die Quellen der Archive der Universität Salzburg und der Universität Mozarteum erzählen – auch – „Reiseabenteuer und Anekdoten aus dem Studentenalltag“. Die Dokumente im Leopold-Kohr-Archiv erinnern an den Philosophen und Ökonomen.
Tage der Archive – Dienstag (4.6.) bis Samstag (8.6.) – www.stadt-salzburg.at
Bild: dpk-klaba (2); Salzburger Landesarchiv (1); PLUS/Herbert Auer (1); Stadt:Salzburg (1)