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Eine Brücke zur Erinnerung

ORTE DES GEDENKENS / ST. JOHANN IM PONGAU

08/05/24 So nahe waren uns die Helden und Helden des Widerstandes... Johann im Pongau wird ein Jahr lang zum Erinnerungsraum – und ist damit nach Neumarkt am Wallersee und Hallein die dritte Gemeinde als Ort des Gedenkens. Am Samstag (11.5.) wird das Kunstprojekt im Pongau eröffnet.

Von Heidemarie Klabacher

Wie oft fährt man nicht über die Brücke in St. Johann. Wie oft fährt man – in der Regel mit mehr Konzentration auf den Verkehr in der kurvigen Engstelle,  denn auf das alte Gemäuer und das Fresko darauf – an der Kapelle neben dem St. Johanner Dom vorbei? Wie oft war man denn je drinnen, eigentlich unten, in dem imposanten Gewölbe? Einmal in einem Erwachsenenleben... Nun rücken Brücke und Kapelle in den Mittelpunkt eines Erinnerungsprojektes. Im Auftrag des Landes Salzburg errichtet die Arbeitsgemeinschaft „Orte des Gedenkens“ in jedem politischen Bezirk einen temporären Erinnerungsort. Am Samstag (11.5.) wird um 14 Uhr in der kultur:plattform in St. Johann im Pongau das Projekt „Was geht zuhause vor“ eröffnet. Dabei wird die Brücke über die Wagrainer Ache nach Theresia und Alois Buder benannt. Wer waren diese?

An sie erinnert die Künstlerin Tatiana Lecomte mit in ihrem Projekt „Was geht zuhause vor“. Theresia und Alois Buder halfen einst Karl Rupitsch, einem zentralen Akteur der Goldegger Deserteurs- und Widerstandsgruppe, vor den Nazis zu flüchten. Neben dem Ehepaar Buder unterstützten auch deren Nachbar Kaspar Wind und dessen Mitarbeiterin Margarete Oblasser die Deserteure in Goldegg.

Blick zurück: „Rupitsch wurde am 28. November 1943 wegen Schwarzschlachtens verhaftet und im Gerichtsgefängnis im heutigen St. Johann eingesperrt“, berichten die Projekt-Verantwortlichen. „Kaspar Wind und andere befreiten Rupitsch aus dem Gefängnis. Alois Buder beherbergte Rupitsch einige Tage in seiner Wohnung und brachte ihn dann mit einem Lastwagen nach Taxenbach in ein Versteck der Familie Oblasser. Alois Buder und Kaspar Wind wurden am 28. Oktober 1944 in Mauthausen hingerichtet, Theresia Buder war im KZ Ravensbrück interniert und kam knapp vor Kriegsende im Februar 1945 unter bislang ungeklärten Umständen ums Leben.“

Der Titel des Kunstprojekts „Was geht zuhause vor“ sei ein Zitat aus einer Postkarte, die Theresia Buder aus dem KZ Ravensbrück kurz vor ihrem Tod nach St. Johann im Pongau schickte. Genau diese Sorge um das Zuhause thematisiere die Künstlerin Tatiana Lecomte.

Dabei involviert sie die Pongauerinnen und Pongauer ganz direkt in ihre Pläne: „Ein Jahr lang werden monatlich Beilagen mit den Pongauer Nachrichten versendet, die wie Rezeptkarten zum Sammeln gestaltet sind und mit den Biografien von Theresia und Alois Buder verwebt werden“, schildert die Arbeitsgemeinschaft das Konzept. „Auf der Vorderseite sind Gerichte aus Rezeptbüchern aus den 1940er Jahren abgebildet. Auf der Rückseite der Beilagen finden sich jedoch keine Rezepte, sondern es sind Auszüge aus Interviews mit der Witwe von Walter Buder und ihrem Sohn.“ Dazu kommen im Laufe des Jahres Informationen über die „widerständigen Tätigkeiten“ des Ehepaars Buder, von Kaspar Wind und deren Verbindungen zu den Goldegger Deserteuren.

Ein weiterer Teil des Kunstprojekts von Tatiana Lecomte wäre die Umbenennung des „Kleinen Parks“ in St. Johann zu „Theresia und Alois Buder-Park“ gewesen, „was allerdings von der Besitzerin des Areals abgelehnt worden war“. Daraufhin habe die Projektgruppe „Orte des Gedenkens“ der Gemeinde vorgeschlagen, die Brücke über die Wagrainer Ache nach der Familie Buder zu benennen und eine Erinnerungstafel schräg gegenüber des „Gassnerhauses“ zu errichten. Mit gutem Erfolg: „Die Gemeindevertretung fällte einen einstimmigen Beschluss dafür.“

Mit der neuen Benennung einher geht eine öffentliche Würdigung von Personen, die sich nicht dem Unrechtregime gebeugt haben und dadurch ihr Leben verloren haben“, erklärt Hildegard Fraueneder von der Arbeitsgemeinschaft. Zudem werde, auf Anregung von Tatiana Lecomte, mit einer erläuternden Texttafel das weithin sichtbare Fresko an der nördlichen Außenmauer der Anna-Kapelle, „Heimkehr zweier Soldaten“ von Switbert Lobisser, aus dem Jahr 1941 kontextualisiert. Die Texttafel wurde in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt in Zusammenarbeit mit der Stadtgemeinde realisiert. Eröffnet wird das Gesamtprojekt am Samstag (11.5.) um 14 Uhr in der kultur:plattform in St. Johann. Der Festakt wird mit einem Widerstandspoem von Mieze Medusa und Markus Köhle sowie mit Musik des Posaunisten Bertl Mütter gestaltet. Danach werden die neue Texttafel an der Annakapelle, neben dem „St. Johanner Dom“, enthüllt und die neu benannten Theresia und Alois Buder-Brücke besucht.

Im Zuge des Vermittlungsprogramms werden nach der Eröffnung über ein Jahr lang Diskussionsabende, Vorträge und Workshops in St. Johann im Pongau veranstaltet. Es wird auch ein kostenloser Schulworkshop angeboten. Die Arbeitsgemeinschaft „Orte des Gedenkens“ willunterschiedliche Aspekte des Widerstands zu thematisieren. Nach dem christlich-sozialen Georg Rinnerthaler in Neumarkt am Wallersee und dem kommunistischen Widerstand von Agnes Primocic in Hallein geht es in St. Johann um Fluchthilfe und Unterstützungswiderstand.

www.ortedesgedenkens.at
Zum dpk-Vorbericht Widerstand hat viele Gesichter
Bilder: dpk-klaba

 

 

 

 

 

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