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Schall, Rauch, Reiterfähnlein und Bindertanz

HINTERGRUND / VOLKSKULTUR / STADTFEST

28/06/24 Es wird krachen und rauchen droben auf der Festung, wenn die Salzburger Festungs-Prangerstutzen-Schützen am Sonntag (30.6.) den Einzug von insgesamt siebzig volkskulturellen Vereinen in die Altstadt begleiten. Ab 9.15 Uhr sind die Gruppen unterwegs, vom Unipark Nonntal zum Dom, und nach der Festmesse zur Stieglbrauerei.

Von Reinhard Kriechbaum

Wir wussten bisher gar nicht, dass sich Bürgermeister Bernhard Auinger aufs Reiten versteht. Er werde „bei der Bürgergarde mit dem Reiterfähnlein mitreiten“, meldet das InfoZ. Mit der Kavallerie weniger vertrauten Menschen muss man wohl erklären, dass das nicht heißt, dass Auinger die Fahne schwingen wird. Schon gar keine rote Fahne. Aber das Wort Reiterfähnlein hat schon mit Fahne zu tun. Seit dem Mittelalter bezeichnete man mit Fähnlein eine Gruppe von Menschen, die sich um eine Fahne scharte. Der Begriff bezeichnete dann eine Unterformation eines Landsknechtsregiments. Ein Fähnlein war an die vierhundert Mann stark. Von solcher Stärke ist die Salzburger Bürgergarde natürlich meilenweit entfernt.

Untergruppen der Fähnlein waren übrigens Rotten. Davon kommt das schöne Wort „zusammenrotten“, wie es bei diesem Festzug und dem zweitägigen Festprogramm eben passiert: Über sechzig Vereine und zehn Gastvereine werden am Samstag und Sonntag (29./30.6.) die Altstadt und das Festgelände der Stieglbrauerei in Maxglan beleben. Das Stadtfest wird von den vier volkskulturellen Verbänden der Stadt (Heimatvereine, Schützen, Blasmusik und Chöre) getragen. Kurioserweise am gleichen Wochenende (am Samstag Nachmittag) ist Unite Parade, aber auf anderen Routen und zu anderen Zeiten. Sag da noch jemand, dass Salzburg nicht echt divers ist.

Der Samstagvormittag (29.6.) gehört den Bindertänzern der Alpinia. Auch wenn sie ab 9.15 Uhr in die Stadt einziehen, wird es ein Prangerstutzen-Lauffeuer von der Festung aus geben. Freude ist in der Volkskultur oft mit Schall und Rauch verbunden, es wird gewiss auch diesmal nicht an kritischen Stimmen mangeln.

Fassbinder ist in der heutigen Salzburger Bindertanztruppe keiner mehr dabei. Fassbinder sind eine rare Spezies. Als man den Bindertanz nach beinah hundertjähriger Pause 1924 in Salzburg wieder aufleben ließ, da gab es aber noch Bindergesellen, die zu dem Anlass sogar von der Arbeit freigestellt wurden.

Die Geschichte, die übers Entstehen des Bindertanzes erzählt wird, darf man hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalts nicht überbewerten, aber sie ist nett: Als die Pest wütete, waren die Binder/Küfer/Schäffler so etwas wie Unterhaltungskünstler: Während alle Menschen trübsinnig hinter dicht geschlossenen Fenstern saßen, verbreiteten die Angehörigen dieser Zunft Frohsinn, indem sie durch die Gassen tanzten. Dass sich die Leute dies bei geöffneten Fenstern ansahen und womöglich sogar mittanzten an der frischen Luft, wäre (wenn’s denn wahr ist) eine epidemiologisch wie psychohygienisch sinnvolle Maßnahme gewesen. Nach Corona haben wir viel Verständnis dafür.

Der Binderspruch „Mit Pechen und Brennen / der Pest nachrennen“ erinnert daran, dass es Sache der Binder war, Pestkranke aus der Stadt ins Pestspital (den heutigen Rochushof neben der Stieglbrauerei) zu bringen. Rochus war wie Sebastian ein Pestpatron.

Wie auch immer, die Fassbinder hatten, wie viele andere Handwerkerzünfte in Renaissance und Barock auch, ihren Tanz. Egal ob Bergleute oder Handwerker, die Figuren ähneln einander. Das hat vor allem auch damit zu tun, dass solche Tänze in seltensten Fällen bruchlos überliefert, sondern im 20. Jahrhundert neu choreographiert worden sind.

Die Tradition will wissen, dass der Bindertanz, der in Salzburg vom frühen 16. Jahrhundert bis 1830 kontinuierlich getanzt wurde, nur alle sieben Jahre stattgefunden habe. Auch die Bindertanzgruppe Salzburg, die ihn jetzt pflegt, macht sich rar und tritt nur zu besonderen Anlässen in Erscheinung.

Die Herren mit weißen Socken, schwarzen Hosen, roten Jacken und bergmännisch anmutenden Kappen haben als wichtigstes Requisit mit frischem Laub geschmückte und mit roten Bändern umwickelte Tanzreifen. Doppelschlange, Sommerhaus (Laube), Reifschwingen, Kreuz, Krone – in Summe umfasst der Bindertanz zwölf Figuren. Wie bei vielen Bräuchen im Umkreis von Jung Alpenland ist der Salzburger Hanswurst mit seiner Pritsche mit von der Partie. Große Fässer, Schlägel sind Berufsgerät und kommen beim Wirbelschlag zum Einsatz. Der Reichsapfel und die Vortänzerstäbe erhöhen den Schau-Wert. Die Musik: Beim Auf- und Abmarsch spielen Schwegel und Trommel, beim Tanz selbst Ziehharmonika und Tuba.

Am Samstag Vormittag gibt es Bindertanzaufführungen auf verschiedenen Plätzen in der Altstadt. Die Salzburger Bindertanzgruppe bleibt nicht allein: Zu ihrem Jubiläum reisen aus Bayern nicht weniger als vierzehn Schäfflergruppen an. Dann verlagert sich das Geschehen Richtung Stiegl-Festwiese. Im Festzelt dort kann man sowohl am Samstag als auch am Sonntag eine Salzburger Tanz-Rarität sehen: den Stelzentanz. Der gehörte einst zum Repertoire der Tresterer im Pongau, heute pflegt hierzulande nur noch die Alpinia.

Weil eingangs von Fähnlein und Fahne die Rede war: Der Gauverband der Heimatvereinigungen Salzburg Stadt hat eine neue Fahne bekommen. Sie wird am Sonntag vom Erzbischof gesegnet und natürlich mitgetragen beim Festzug zur Stieglbrauerei. Man rechnet mit rund tausend Teilnehmern. Die Touristen werden aus dem Staunen nicht herauskommen an diesem Wochenende.

Stadtfest der Volkskultur, 29. und 30. Juni – Das Festprogramm am Samstag und am Sonntag
Zum 100-Jahr-Jubiläum der Salzburger Bindertanzgruppe ist eine Festschrift von Michael Greger und Sebastian Piringer erschienen.
„Salzburger Brauch“ heißt das Buch von DrehPunktKultur-Chefredakteur Reinhard Kriechbaum, das 2016 im Rupertus Verlag erschienen ist – www.rupertusverlag.at
Bilder: Salzburger Festungs-Prangerstutzen-Schützen (1) ; dpk-krie (1); Historische Bindertanzgruppe Salzburg (2)

 

 

 

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