Weisenbläser und Bratler
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13/12/17 „Der stimmungsvolle LED-Sternenhimmel des Christkindlmarktes wird gedimmt und einzelne Scheinwerfer sind auf die Bläser gerichtet.“ So wird die Licht-Stimmung beim Turmblasen – beim „Historischen Turmblasen“ wohlgemerkt – rund um den Salzburger Residenzplatz in einer Presseaussendung beschrieben.
Von Reinhard Kriechbaum
„Im Mittelalter hatten die Turmbläser die Aufgabe, festliche Anlässe zu verkünden oder vor Gefahren sowie vor herannahenden Feinden zu warnen.“ Auch das kann man auch in besagter PR-Botschaft lesen. Wir wollen hoffen, dass sich unter denen, die sich um die Glühwein- und Ofenkartoffelstände drängen, keine wirklichen Feinde befinden, vor denen man mit schmetterndem Blech warnen müsste.
Aber mit dem Wert „schmettern“ sind wir auch schon beim Thema. Was in der Adventzeit vielerorts aus den Schalltrichtern von Blechblasinstrumenten kommt, ist ja im Regelfall eher keine markige Signalmusik. Es sind „Weisen“. Diese Musizierpraxis ist nicht so „historisch“, wie es den Zuhörern gerne weisgemacht wird.
Mit „Weisenblasen“ meint man ein kammermusikalischen Blechbläser-Musizieren, das in seinem Idiom dem gesungenen Volkslied möglichst nahe kommen will. „In den letzten Jahren ist das Weisenblasen sehr bekannt geworden, weil es, die Abwechslung bei Veranstaltungen fördernd, eingesetzt wird!“, erklärt der steirische Volksmusik-Kenner Hermann Härtel. „Hier ist es ein Gestaltungselement in der Abfolge zwischen Chor-, Stubenmusik-, Jodel- und Mundartdarbietungen.“ So werde der Begriff heute in der Volksmusikszene verstanden. „Dabei muss man wissen: Die Abhaltung sogenannter 'Weisenbläsertreffen' etwa in Tirol, Salzburg und in der Steiermark, die von der Volksmusikpflege oder einzelnen interessierten Musikern initiiert wurden und werden, um diese Art des Lieder- und Weisenblasens zu fördern, ist eine relativ neue Erscheinung.“ Älter – bis zur Jahrhundertwende zurück belegbar – sei das Weisenblasen als brauchtümliche Handlung im Zusammenhang mit Hochzeiten, Bergmessen und dergleichen.
Das Turmblasen auf dem Residenzplatz ist übrigens älter als der Christkindlmarkt: Den gibt es in seiner gegenwärtigen Form erst seit 1974, wogegen das Turmblasen als „Salzburger Adventblasen“ schon 1952 begründet wurde, als gemeinsame Initiative von Tobi Reiser und dem Mozarteum-Professor Josef Dorfner. Trompeten, Hörner, Posaunen und Alphörner spielten höfische Musik aus dem 16. und 17. Jahrhundert, Turmmusiken sowie Volks-, Advent- und Weihnachtslieder. Jetzt leitet der Salzburger Trompeter Horst Hofer (in diesen Tagen auch viel beschäftigt beim Adventsingen im Großen Festspielhaus) das Turmblasen. Heuer lassen sich unter anderem die Maria Almer Alphornbläser, das Barockbläser Ensemble Leopoldskron (im Bild) sowie die Pongauer Bläser hören. Musiziert wird nach wie vor vom Turm des Salzburger Glockenspiels, von der Terrasse des Cafés Glockenspiel und von den Dombögen.
„Gute Weisenbläser bringen ihre Lieder so, als ob sie gesungen würden“, betont Hermann Härtel. Damit sei auch schon der Ursprung erklärt: „Menschen, die in einem musikalischen Umfeld, also mit Musik als Lebensmittel aufwachsen, setzen ihre Melodiekenntnis mit allen Mitteln ein“, erklärt der Volksmusik-Kenner. „Gute Musikanten sind nicht notenlastig, sondern Umsetzer jener Melodien, die ihnen etwas bedeuten, gleichgültig, ob es sich gerade um den allerneuesten Schlager oder um einen Jodler vom Großvater handelt.“ Die Vortragsweise der „Weisen“ ähnle einem „freien, also einem nicht im Metrum verlaufenden Singen.“
Was Hermann Härtel auch als Eigenheit beschreibt: Die Weisenbläser (und andere Volksmusikgruppierungen) kämen nicht nur aus den Blasmusikverbänden selbst. „Viel wichtiger ist es, dass sich dieses Spiel nicht nur auf eingespielte Gruppen bezieht, sondern dass man auch mit anderen Musikern frei musizieren kann.“ Der Volksmund hat solche spontan zusammentretenden Gruppen gelegentlich als „Bratler“ bezeichnet – also Gasthausmusiker, die sich produzierten, während der Braten verspeist wurde. Dem Wort haftet ein abwertender Beigeschmack an. Hermann Härtel sieht das ganz anders: „Es sind besonders ausgestattete Menschen, in denen sich Musikalität mit Temperament und Lebensfreude paart.“
Mit Spontanität hat das durchorganisierte Turmblasen auf dem Christkindlmarkt natürlich nichts mehr zu tun: Heuer treten die Blasmusiker sogar erstmals in einheitlicher Bekleidung auf. „Die Umhänge wurden vom Salzburger Christkindlmarkt gesponsert. Die neuen Hüte spendeten die Aussteller Christine Wasserfaller und Uwe Steinke, die mit ihrem neu gegründeten Hutlabel "WasserSTEIN" besondere Kopfbedeckungen anbieten, die nur am Christkindlmarkt erhältlich sind.“
Um den Bläser-Nachwuchs braucht man sich keine Sorgen zu machen. Immer am Mittwoch treten am Domplatz die „Jungen Bläser“ des Musikum Salzburg auf.