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Glück im Unglück

REST DER WELT / WIENER STAATSOPER / RIGOLETTO

22/12/14 Trotz Infektion sang Simon Keenlyside die Premiere von Verdis „Rigoletto“ an der Staatsoper. Bis zum Ende des zweiten Akts. Zum Glück war das Cover Paolo Rumetz im Haus und brachte den bis dahin fulminanten Abend erfolgreich zu Ende.

Von Oliver Schneider

Singt er, oder singt er nicht? Die Generalprobe hatte Simon Keenlyside schon ausgelassen, um sich für die Premiere von Giuseppe Verdis „Rigoletto“ zu schonen. Und bis zur Szene zwischen Gilda und ihrem Vater am Ende des zweiten Aktes hatte man auch nicht den Eindruck, dass Keenlyside unter den Folgen seiner Infektion zu leiden hatte. Schade, denn Keenlyside weiß den buckligen Narren des lüsternen Herzogs von Mantua stimmlich so differenziert zu singen. Als den Grafen Ceprano Verhöhnender, der aber sehr wohl erkennt, dass er sich mit seinem Spott auf des Messers Schneide bewegt. Als ein schützender Vater, der aufgrund seines Amtes um die Gefahren für seine Tochter weiß. Als Gebrochener, weil auch er nach dem Raub Gildas zu den vom Herzog Verletzten gehört. Und schließlich als vermeintlicher Rächer. Doch Keenlyside in dieser Rolle zu erleben, das bleibt dem Besuch einer Folgevorstellung vorbehalten.

In der Premiere sprang Ensemblemitglied Paolo Rumetz ein, der den Abend professionell zu Ende brachte. Hut aber auch vor der Leistung, denn es galt, ein enttäuschtes Publikum zu befriedigen. Für ihn war die Premiere ein Rollendebüt.

Geradezu verletzend hat sich ein Teil des Publikums nach dem Fall des Vorhangs am Ende des zweiten Akts verhalten. Ob sich diese Menschen überlegen, was ein Buh in dem Moment in einem Sänger, der versucht, das Beste zu geben, auslöst? Möge ihnen erspart bleiben, in ihrem professionellen Umfeld einmal Ähnliches selbst zu erleben.

Für Erin Morley ist die Gilda das Debüt im Haus am Ring. Sie gefällt mit einem leicht ansprechenden, aufblühenden lyrischen Sopran. Mitunter irritieren kann ein recht starkes Grundvibrato. Schmelz, Agilità und Höhensicherheit – Piotr Beczala besitzt alles, um die Partie des von Pierre Audi durch und durch abstoßend gezeichneten Herzogs bravourös auszufüllen. Ryan Speedo Green verleiht dem Sparafucile seinen metallischen, aber zu gleichförmigen Bass. Auch Elena Maximovas Maddalena kommt nicht an die Leistungen einiger Fachkolleginnen heran und wirkt darstellerisch blass. Sorin Coliban als Monterone hingegen besitzt die nötige Autorität, damit seine Verdammung im ersten Akt die bedrohliche Wirkung erzielt.

Sehr erfreulich ist, was das Staatsopernorchester unter Myung-Whun Chung aus dem Graben hören lässt. Chung ist ein echter Sängerdirigent, der mit den Solisten atmet. Oft hat man sonst im Parkett der Staatsoper das Gefühl, dass das Orchester die Sänger zudeckt, bei Chung nie. Er findet die richtige Balance und weiß, in welchen Momenten er die Dramatik mit frischem Brio anheizen muss, wann er die Musiker zurücknehmen muss, wann wieder mehr Schwung und Kraft nötig sind. Einzelne Buhs am Ende der Vorstellung bleiben auch hier unverständlich.

Mehr Buhs und wenig Applaus gab es für das Regieteam um Pierre Audi (Ausstattung: Christof Hetzer). Woran sich das Publikum gestört hat? Der Aufführung kann man folgen, ohne vorher das Programmbuch zu studieren. Die angedeuteten Renaissancekostüme verorten die Handlung zeitlich, die Personenführung ist präzise, die Solisten sind zum großen Teil gute Singschauspieler. Gestört haben mögen das Bühnenbild und auch gewisse Bildsymbole, die alles andere als schön sind. Mit seinen strähnigen Haaren und seinem überheblichen Auftreten ist der Herzog nicht der übliche Latinlover, dem man jede Affäre verzeiht. Im Gegenteil, er wirkt genauso widerlich wie seine Entourage, bei der Ausschweifungen auch an der Tagesordnung sind. Anders als alle anderen Höflinge ist Rigoletto klar als Außenseiter am Hof gezeichnet. Zwar trägt er eine Halskrause, aber sein Oberkörper ist unbedeckt. Er ist mit seiner körperlichen Behinderung ausgestellt.

Hetzer hat für die rasch wechselnden Handlungsorte eine Drehbühne entworfen, auf der man sich oft in grauen Räumen befindet. Gildas Kammer senkt sich aus dem Bühnenhimmel an einem Ballon in das enge Haus Rigolettos. Die Enge steht hier für die Tatsache, dass es für Gilda keine Außenwelt gibt. Kahle, gekappte Bäume in einem nächsten Raum symbolisieren das trostlose Schicksal Rigolettos und lassen Gildas Tod vorausahnen. Goldene Wände und eine in eine zum Zuschauerraum geöffnete Kammer mit steiler Treppe hinauf sind Zeichen für das reiche, ausschweifende Leben am Hof von Mantua. Slumartig wirkt schließlich das Wellblechhaus Sparafuciles.

Vor zwei Jahren hat Árpád Schilling in München einen neuen Rigoletto inszeniert. Interessant waren die Ausführungen im Programmheft, dass Rigoletto als Manipulant und Ahasver zu sehen sei, Sparafucile sein Doppelgänger. Dass zwischen Rigoletto und Gilda eine inzestuöse Liebe bestehe. Von alldem sah man leider nur wenig auf der Bühne. Da ist der deutlich weniger interpretierenden Regie von Pierre Audi der Vorzug zu geben.

Rigoletto – weitere Vorstellungen 23., 27. und 30. Dezember, 2. Jänner - www.staatsoper.at
Bilder: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

 

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