Weltgeschichte als Überraschungs-Ei
KUNSTHISTORISCHES MUSEUM / DIE WELT VON FABERGÉ
28/03/14 Ostern naht. Eier-Suche auf Flohmärkten könnte sich lohnen. Ein Schrotthändler in den USA hat auf einem Antiquitätenmarkt ein goldenes Ei mit einer Uhr drin um – immerhin - 14.000 Dollar gekauft. Glücksgriff? Es ist das seit 1922 verschollene dritte „Kaiserliche Osterei“ aus der St. Petersburger Manufaktur Fabergé - und 24 Millionen Euro wert.
Von Heidemarie Klabacher
„Found!“ Ein dicker Stempel auf der vornehmen Website des 1865 in Nordwales gegründeten Londoner Antiquitäten-Hauses Wartski erzählt mehr, als jede Expertise. Eine Wartski-Expertin hat den amerikanischen Glückspilz beraten und das kostbare Fundstück gleich für einen Sammler gekauft. „We are antique dealers, so we doubt everything but this story is so wonderful you couldn't really make it up - it is beyond fiction and in the legends of antique dealing, there is nothing quite like this“, heißt es auf der Wartski-Website. Von 14. bis 17. April kann das 8,2 Zentimeter hohe Fabergé-Ei in London (14 Grafton Street) besichtigt werden: „This will be the first time it has been seen in public for 112 years.“
Näher liegt freilich ein Besuch im Kunsthistorischen Museum in Wien, wo in der Sonderausstellung „Die Welt von Fabergé“ noch bis 18. Mai vier weitere der insgesamt fünfzig „Kaiserlichen Ostereier“ zu sehen sind - zusammen mit insgesamt 160 Kostbarkeiten aus der Werkstatt des Juweliers Peter Carl Fabergé. Mit dem Moskauer Kreml Museum und dem Fersman Mineralogischen Museums, die beide auf die Kunstsammlungen der russischen Zaren zurückgehen, zeigen erstmals zwei der größten Moskauer Museen einen Teil ihrer Sammlungen im „Kunsthistorischen“.
„Das erste kaiserliche Fabergé-Ei wurde 1885 für die Gattin von Alexander III., die Zarin Maria Fjodorowna (eine dänische Prinzessin mit dem ursprünglichen Namen Dagmar) angefertigt“, erinnert das Kunsthistorische in der Ausstellung. Fabergé hat diese Art Prunk-Eier nicht erfunden: „Als Inspirationsquelle diente ein Osterei vom Anfang des 18. Jahrhunderts, das sich in den königlich dänischen Sammlungen befindet. Neben diesem barocken Ei sind heute noch zwei weitere bekannt, eines davon in der Kunstkammer Wien.“Im Inneren dieser goldenen Eier sitzt eine emaillierte Henne in ihrem Nest aus Brillanten. In der Henne ist eine Krone verborgen, in der sich wiederum ein Ring versteckt: Nach diesem Vorbild schuf Fabergé ein weiß emailliertes Gold-Ei mit einer Henne, einer Krone und einem weiteren Ei aus Rubin im Inneren. Zar Alexander III. und Zarin Maria Fjodorowna waren hingerissen – und ließen die Ei-Produktion in Serie gehen: Jedes Jahr zur Karwoche überreichte Fabergé seinen kaiserlichen Auftraggebern ein neues prachtvolles „Osterei“ aus Gold, Emaile und Brillanten.
Das feinste der vier in Wien ausgestellten Fabergé-Eier ist wohl das „Osterei mit Modell des Kreuzers ‚Pamjat Asowa’“ aus dem Jahr 1891: Das Ei selber ist aus dunkelgrünem gold-umranktem Heliotrop. Das winzige Schlachtschiff mit seiner haarfeinen Takealge segelt stolz auf einem hellblauen Meer aus Aquamarin.
Bei aller Kostbarkeit eher bizarr und klobig wirkt das 18,5 Zentimeter hohe „Osterei Moskauer Kreml“ aus 1906. Mit großem Understatement dagegen rollt das „Osterei mit dem Modell eines Sibirien-Zuges“ daher: Das an den Kuppen mit dem unverwechselbar intensiven fabergé-blau und -grün emaillierte Ei ist eine Russlandkarte aus Platin. Der winzige Zug mit Lok, Tender und fünf Wagons, der drin Platz hat, lässt sich aufziehen und ist fahrtauglich. Schlüsselchen liegt bei.
Eher einen Meilenstein der Geschichte als ein Fest im Jahrlauf markiert das Ei „Sternbild des Zarewitsch“ aus dem Revolutionsjahr 1917: Das letzte Prunk-Ei, das von der Maufaktur Fabergé begonnen wurde, aber aufgrund der Ereignisse des Ersten Weltkrieges und der Revolution 1917 nicht mehr vollendet werden konnte. In das Ei aus leuchtend blauem Kobaltglas, das auf einer Wolke aus mattiertem Bergkristall schwebt, ist der Sternenhimmel eingeschliffen. Jeder Stern ein Diamant, der größte im „Löwen“, dem Sternbild des Zarewitsch Alexej - das wäre der Plan gewesen…
Aber nicht nur vier „Kaiserliche Ostereier“ sind in dem stark verdunkelten – aber weniger geheimnisvoll denn gruftig wirkenden – Saal im Kunsthistorischen Museum in Wien zu sehen, sondern auch feinste Schmuckstücke, prachtvoll bis protziges Tafelgeschirr oder kostbarste „Nebensächlichkeiten“ zum täglichen Gebrauch, wie etwa ein Zigarettenetui aus dem Jahr 1897, ein Geschenk der Zarin-Witwe Maria Fjodorowna an Zar Nikolaus II. zum Weihnachtsfest: Dieses Kostbarkeit von nur 8,5 mal 5,5 Zentimetern erlaubt es dem Blick, in der faszinierenden unendliche Tiefe suggerierenden farblichen Intensität des Emails der Fabergé-Meister zu versinken.
Auf fein graviertem - guillochiertem – Grunde kommt die Emaile besonders zur Wirkung. Von zartestem Hellblau dagegen ist das Email eines ebenfalls nur 8,7 mal 6 Zentimeter großen Carnet de bal, einer Ballkarte aus Platin mit einer betörend feinen Email-Malerei in einem perlenverzierten Medaillon aus Gold und Silber.