Prinzessin Bouillon ist eine echte Konkurrentin
REST DER WELT / WIEN / ADRIANA LECOUVREUR
17/02/14 Für Diven im Herbst ihrer Karriere wird Francesco Cilèas Schmachtfetzen „Adriana Lecouvreur“ ab und zu ausgemottet. Das kann sich zugegebenermaßen lohnen, dank einiger hitverdächtiger Arien, die immer so enden, dass das Publikum gebührend zum Applaudieren kommt.
Von Oliver Schneider
So erlebt in den neunziger Jahren, als Mara Zampieri die große französische Barockmimin Adrienne Lecouvreur in Zürich mit einer persönlichkeitsstarken Interpretation gab. Und wer vergisst die Freni in dieser Partie?
Von ihren beiden Vorgängerinnen ist Angela Georghiu darstellerisch meilenweit entfernt. Um eine wirkliche Diva zu mimen – und nicht nur sich selbst auf der Bühne zu spielen –, braucht es mehr, als die Georghiu bieten kann.
Die bereits im Herbst 2010 erstmalig in London gezeigte Produktion von Francesco Cilèas einziger Erfolgsoper macht nun also in Wien Station. Die Wanderproduktion von David McVicar (in Wien einstudiert von Justin Way) ist ganz auf Angela Georghiu zugeschnitten: Getreu dem Libretto sieht man ein Barocktheater, die schäbigen Garderoben der Truppe, das elegante Palais des Prinzen von Bouillon. Alles wirkt wie in einer übergroßen Puppenstube, hübsch anzusehen, die Protagonisten in wunderschönen Kostümen (Bühne: Charles Edwards, Kostüme: Brigitte Reiffenstuel).
Doch leider herrscht in dem barocken Ambiente kein Leben, was bedauerlich ist, böte doch die Dreiecksgeschichte von Liebe, Eifersucht und Rache zwischen der Schauspielerin, der Prinzessin von Bouillon als ihrer Rivalin um die Liebe des Herzogs von Sachsen, Maurizio, alles für spannendes Theater. Hier ging die ordnende Hand eines Regisseurs ab, denn nicht nur die Georghiu bleibt blass. Einzig Elena Zhidkova als Prinzessin zeigt im zentralen dritten Akt auf dem Fest in ihrem Haus, dass die Oper mehr zu bieten hätte. Schlicht peinlich ist die Balletteinlage auf dem Fest (Choreographie: Andrew George), die zwar klassisch, aber nicht barock ist. Einem anderen Regisseur hätte man wohl hier die Idee einer Persiflage zugetraut.
So bleiben von diesem Abend leider nur ein paar schöne Bilder und Kostüme zurück, was nichts mit einer echten „klassischen“ Inszenierung zu tun hat. Dafür rufe man sich bitte die großen Produktionen eines Jean-Pierre Ponelle oder Otto Schenk in Erinnerung.
Zum Glück hat der Abend musikalisch doch einiges zu bieten. Auch wenn die Stimme der Georghiu im Haus am Ring wenig zu tragen schien, kann sie in der Partie der Adriana mit allen ihren Stärken auftrumpfen: unendlichen Legatobögen, einer perfekten Verblendung der Register und einer wunderbaren runden Mittellage. Die Adriana ist für sie zurzeit in musikalischer Hinsicht eine Idealpartie, auch wenn sie stimmlich zum Glück noch keine Diva im Herbst ihrer Karriere ist. Das berühmte „Io son l’umile ancella del Genio creator“ spinnt sie ganz fein und bescheiden, während sie in der Schlussszene im vierten Akt im großen Theatergestus sterben darf. Hier reisst sie auch Massimo Giordano als Moritz von Sachsen mit, der in den ersten Akten nicht seine ganz großen Momente hatte. Doch im Schlussakt befindet sich auch sein hell-strahlender Tenor auf der Höhe.
Die Überraschung am Premierenabend war die Hausdebütantin Elena Zhidkova, die mit ihrem volumenreichen, mühelos den dramatischen Aufschwüngen gewachsenen Mezzosopran der Georghiu zunächst die Show zu stehlen schien. Möge sie in Zukunft noch häufiger im Haus am Ring zu Gast sein. In der Partie des väterlichen Inspizienten Michonnet, der auch in Adriana verliebt ist, reüssiert Roberto Frontali, den Prinzen von Bouillon gibt Alexandru Moisiuc. Die Partie des intrigierenden Abate bringt eine schöne Wiederbegegnung mit Raúl Giménez im Charakterfach.
Bei Evelino Pidò schließlich liegt die Leitung des Staatsopernorchesters in guten Händen. Er bringt die ausdrucksstarke und farbige Instrumentation der Partitur, von der schon Jules Massenet so begeistert war, wunderbar zur Geltung und kostet die Suggestionskraft der Musik voll aus. Mit Gespür für Rhythmus und Dramatik so wie auch die lyrischen Momente.