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Vom Kriegsgeschäft eines Popstars

REST DER WELT / SÖLDEN / HANNIBAL

19/04/11 Gegen Ende der Saison werden aus den professionellen Schnee-Arbeitern im Ötztal Theaterleute. Da zieht Hannibal nicht mit den historisch verbürgten 37 Elefanten, sondern mit zwei Dutzend Pisten-Planiergeräten bergwärts. Schilehrer stellen die Bodentruppen und eine Red-Bull-Crew von Motocross-Artisten gibt eine eindrucksvolle Kavallerie. Paraglider als Luftwaffe dürfen nicht fehlen.

Von Reinhard Kriechbaum

Ein Bundesheer-Hubschrauber hilft Venus in die Lüfte. An einem langen Seil hängt die Dame, die zuerst böse herunterfunkelt auf Dido und Aeneas: Man kann sich gut hineinfühlen in ihr eifersüchtiges Herz. Sie erinnert Aeneas daran, dass das königliche Bett der Dido in Karthago steht – und das ist mitnichten Rom, das Aeneas gefälligst gründen soll …

Beginn einer Ur-Fehde zwischen zwei Mittelmeer-Städten, die tausend Jahre später in Hannibals Alpenüberquerung mündete. Hat man alles mal gelernt in der Schule. „Hannibal“, wie ihn der Salzburger Maschinentheater-Freak Hubert Lepka seit zehn Jahren in Sölden auf den Rettenbacher Gletscher bringt, ist aber nicht Schulfunk.

Da wird eine Geschichte ausgemalt vom Kriegführen als Medienereignis. „Karthago TV“ meldet sich manchmal zu Wort und macht Stimmung in der Angelegenheit. Wenn zuletzt Scipio in Süditalien antritt, um Hannibal und seinen Truppen aufzureiben, dann ist das der Endkampf von Popstars im publicitygeilen Kriegsgeschäft.

So ein Pisten-Bully erweist sich als sehr beweglich in größeren und kleineren Scharmützeln. Ja wirklich: Pistengeräte können tanzen wie die kleine internationale Compagnie, die zuvor in Karthago auf einer aus Schnee gebauten Stufenpyramide aufgetreten ist! Sechstausend und mehr Leute geben sich jedes Jahr das theatrale Pop-Spektakel.

Harald Krassnitzer liest die Geschichte von Joe Wimplinger, die sich ein bisserl nach Michael Köhlmeiers Mythen-Nacherzählungen anfühlt. Von einem begrenzten Wirtschaftskrieg (in Spanien) hören wir und davon, wie Hannibal sich dort plötzlich zum Kriegsherrn stilisiert, wie sich eine Situation aufschaukelt und wie dieser Hype wieder sein verstärkendes Medienecho findet.

Die live gespielten Szenen vom riesigen Gletscher-Areal werden auf einen Bildschirm übertragen. Die üppige Musik (Peter Valentin) übertönt erstaunlicherweise sogar den Lärm der Maschinen. Die minus zehn Grad bei Einbruch der Dunkelheit auf dem Gletscher steckt man locker weg als ehrlich staunender Zuschauer und Zuhörer: Man wird opulent bedient mit Special Effects. Das Attentat auf Hannibals Vater Hamilkar hinterlässt eine Rauchwolke, die einem Atompilz ähnelt. Sogar ein künstlicher Lawinenabgang ist vorbereitet, aber der ficht die Karthager nicht an. Hat Hannibal doch klugerweise „ein Dutzend Schwarzafrikaner“ voraus in den Hang geschickt. So geht das mit Fremden …

Manch ironische Brechung ist im Text. Beim Aufstieg sieht sich Hannibal einem Keltenstamm gegenüber: „Hannibal ging zur Anschlagtafel und studierte die Tarife: Die Kelten wollten abkassieren. Sie hatten die Preise verdoppelt. Abzockerbande!“ Solche Botschaften versteht man nicht nur nahe dem Brenner.

„Hannibal“ wurde heuer zum zehnten Mal produziert (am 15. April) und wird, so ist angesichts des unvermindert starken Publikumsinteresses heuer zu vermuten, auch im nächsten Jahr wieder zu sehen sein: gegen Ende der Schisaison. - www.soelden.com
Hoteltipp: Das Vier-Sterne-Hotel Bergland in Sölden ist ein vor allem innenarchitektonisch bemerkenswertes Gebäude mit Spa-Bereich im fünften Stock. Architektur in den Alpen muss nicht nach Alpen-Architektur aussehen. - www.bergland-soelden.at
Bilder: www.torren.at
Zum Porträt über den Theatermacher Hubert Lepka Hannibals Theater-Maschinist

 

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