Eine einzige Teufelei
LINZ / FREISCHÜTZ
27/09/23 Der Teufel schläft nicht, sagt man so schön. Aber so umtriebig wie in jenem Freischütz, mit dem das Landestheater Linz seine Opernsaison begonnen hat, ist er glücklicherweise selten. Nicht nur der Jägerbursche Kaspar, der Max zum Guss der diabolischen Munition verführt, ist Samiel verfallen.
Von Reinhard Kriechbaum
Schon in der Ouvertüre haben wir im Video hautnah vorgeführt bekommen, wie es mit Kaspar zugegangen ist, so dass ihm schließlich Samiel, der „Schwarze Jäger“, das Herz herausgeschnitten hat. Wenn der Vorhang aufgeht, finden wir uns in Samiels geräumigen Salon. Der Beelzebub (Sven Mattke) sitzt am offenen Kamin und führt Kaspar, der sich an nichts mehr erinnern kann, die Sache mit dem glücklosen Schützen Max,der deshalb in Frage stehenden Hochzeit mit der Erbförster-Tochter Agathe und den den fatalen Freikugeln in Rückblende vor. Samiel kann die Wand wegzaubern, und dann sehen wir also Carl Maria von Webers Oper in putzigen Guckkasten-Bildern. Nur die Wolfsschlucht-Szene passiert quasi live in des Teufels Wohnzimmer. Da wird aus den Bodenbrettern eine abstrakte Grusel-Landschaft, in der Kaspar die Freikugeln nicht gießt, sondern aus dem Körper eines frisch geschlachteten Ebers holt.
Der Linzer Intendant Hermann Schneider hat Regie geführt, und er erzählt uns den Freischütz also als Rückblende. Samiel ist schier allgegenwärtig, ein Entrinnen unmöglich. Während Agathe in ihrer kleinen blütenweißen Kemenate Trübsal bläst, verführt Samiel das lebenslustige Ännchen. Die junge Dame wird hinfort mit zernepfter Strumpfhose als eine Art Untote herumgeistern. Zuletzt müssen wir gar mitansehen, dass auch der Eremit, der eigentlich für das „lieto fine“, die Wendung zum Guten und Hoffnungsvollen zuständig ist, sein Herz längst dem Teufel ausgeliefert hat. Samiel selbst legt ihm den rührseligen Text zu seiner Arie in den Mund! Nichts Gutes dräut uns für den Fortgang der Welt und der fürstlichen Erbförsterei...
Da stecken schon viele gute Ideen drin, und für hinreichend teuflische Schaulust ist gesorgt. So viel gut gemeinter Grusel, dass sich der Regisseur um eine ernsthafte Opern-Interpretation einigermaßen elegant hat herum stehlen können. Webers Freischütz – das sind die einfältigen folkloristischen Showszenen zwischen der rahmenhandlung. Und das ist schon ein ernsthaftes Problem, denn so kommt die Oper wie Stückwerk daher. Das Übermaß an Diabolik droht die Oper zu zerbröseln. Es kann sich kein rechter musikalischer Sog bilden.
Das ist gewiss nicht dem Brucknerorchester unter Markus Poschner anzulasten, das aus der Partitur viel dunkle Tonmalerei und „sprechende“ Abgründigkeiten herausarbeitet. Das Orchester übertüncht damit über weite Strecken, dass die Produktion sängerisch eher unterbelichtet ist. Ja schon, Timothy Richards als Max hat schöne Höhen anzubieten und Erica Eloff verströmt lyrischen Wohllaut in Fülle. Fenja Lukas als Ännchen fehlt es nicht an geläufiger Stimm-Tändelei. Für die Sänger hielte der Freischütz manch knifflige Ambivalenzen bereit. Kleinformat-Wagner oder doch ein bisserl aufgeplusterte Spielopern-Romantik? Am Premierenabend wirkte es, als habe das Sängerensemble Szene um Szene um die Gewichtung erst ringen müssen.
Energische Buhrufe hat dann allerdings der Regisseur einstecken müssen.