Augenzwinkernder Blick in vergangene Zeit
INNSBRUCK / ARABELLA
10.02.2010 Brigitte Fassbaender bindet dem Innsbrucker Publikum einen Bären auf - den Mädchentraum vom exotischen Millionär mit der romantischen Seele. Richard Strauss' "Arabella", inszeniert von Brigitte Fassbaender.Von Beate Frakele
In Wirklichkeit ist das Märchen natürlich eine Komödie. Und die schwebt mit der bezaubernden Juliane Banse zwischen Lachen und Weinen durch den Wiener Fasching. Der Bär, der Mandryka "ein biss'l gekratzt" hat, ist vom Anfang bis zum Happy End mit dabei. Als Vorleger von zweifelhafter Eleganz sorgt er im Hotel, das die Familie Waldner bewohnt, für den Running Gag, später beobachtet er die nervenaufreibenden Geschehnisse als schweigender Trinker, vielleicht beschützt er den hochgemuten Mandryka ja auch ein bisschen - Komik und Ernst liegen hart nebeneinander.
Als Regisseurin hat Brigitte Fassbaender die „Lyrische Komödie“ etwa in die Koordinaten der von Strauss und Hofmannsthal vorgesehenen 1860er Jahre gestellt. Vom Publikum erwartet sie, dass es sich Zeit nimmt für den Blick in eine Gesellschaft, über der längst der Schleier der Vergangenheit liegt. Dieser hebt sich denn auch gut sichtbar über dem eingefrorenen ersten Bild. Hat man die Enttäuschung über Dietrich von Grebmers uninspirierte und altbackene Ausstattung erst überwunden, bemerkt man Fassbaenders Augenzwinkern und die zahlreichen Zitate, die sie über das Bild der herunter gekommenen Aristokratenfamilie streut, die die Schönheit ihrer Ältesten zu Markte trägt.
Straff leitet Christoph Poppen das Tiroler Symphonieorchester und entlockt ihm die vielen Einzelheiten der farbigen Partitur. Nach einem, der Nervosität der Situation angemessenem, hektischen Beginn breitet das Orchester die romantischen und volksliedhaften Motive lyrisch und ernsthaft aus und bringt Spannung und auffallende Dramatik in den letzten Akt. Poppen ist stets bei den Sängern, unterstützt den Konversationscharakter der Dialoge und vergisst nicht auf den Hauch Walzer, den die wienerische Maskerade braucht.
Bei ihrem Debüt in der Titelrolle erweist sich seine Ehefrau Juliane Banse mit mädchenhafter Erscheinung und sorgfältig konturierter, leuchtend aufblühender Stimme als Idealfall einer Arabella: nicht nur wirklich attraktiv, sie ist auch fröhlich und ein bisschen kokett, ernsthaft aber nicht melancholisch. Ein Hauch von Leichtigkeit schwebt über dieser Figur, zu dem Banses unverwechselbares Timbre in pikantem Gegensatz steht. In schöner Harmonie der Stimmen und zärtlichem Fluss erklingt bereits das erste Duett mit Zdenka, für die Anja Scholz neben einem höhensicheren Sopran das jugendliche, auch ein wenig überspannte Wesen mitbringt. Als Arabellas Traumprinz löst Bernd Valentin die Erwartungen wohl mit virilem Bariton ein, der der Rolle Kraft und Wärme schenkt. Der Bühnenerscheinung fehlt es indessen an Ausstrahlung und Passion, den kroatischen Magnaten nimmt man ihm trotz Schnurrbart nicht ab. Mark Adler ist ein tadelloser, glaubwürdiger Matteo mit verlässlichem Material und - Brillenträger, hat er die Schwestern deswegen verwechselt?
Arabella näht sich selbst einen Faschingshut. Auf dem Fiakerball – einer der wenigen Momente, in denen die Ausstattung Charme hat - wird sie in angedeuteter Verkleidung erscheinen, während draußen dichte Flocken fallen. Ansonsten ist dieser Ball ein etwas zähes Vergnügen, auch Anna Kims Fiakermilli zu schrill aufgedreht, wie überhaupt die Würze dieser Produktion in den vielen feinen Regiedetails liegt, etwa der Körpersprache von Mandrykas Dienern, wenn sie Champagner kippen wie Sliwowitz.
Brigitte Fassbaender hat den Untertitel „Komödie“ ernst genommen und die Psychologie der Figuren dabei trotzdem ausgeleuchtet. Das erweist sich nicht zuletzt im Schlussbild, das sich erst zu dramatischer Verzweiflung steigert, in Innigkeit ausklingt und mit einer anmutigen Pirouette ausschwingt.