Das Politische im Bildersammeln
WIEN / 300 JAHRE BELVEDERE
16/12/22 Vor dreihundert Jahren ist das Schloss Belvedere fertig geworden. Das gäbe – vom Bau des Lukas von Hildebrandt bis zur Ausstattung – eine Barock-Jubelschau her. Man hat sich aber für einen ganz anderen Aspekt entschieden und zeigt das Schloss als Museums-Ort, als Logis für öffentlich zugängliche Kunst.
Von Reinhard Kriechbaum
Der Platz war knapp geworden in der Hofburg, Kaiserin Maria Theresia hatte die Schlossanlage des Prinzen Eugen 1777 erworben. Dorthin übersiedelten sie und ihr Nachfolger Joseph II. die kaiserliche Gemäldegalerie, die fortan bei freiem Eintritt zugänglich war. In einem allegorischen Bild sehen wir, wie Minerva Joseph II. anleitet. Aber es war natürlich nicht hehre göttliche Eingebung, sondern das Gedankengut der Aufklärung, das den Habsburger motivierte, eines der ersten der Allgemeinheit zugänglichen Museen überhaupt zu eröffnen.
Name und Sammlungsgebiete haben sich mehrmals gewandelt. Die Schau in der Orangerie vermittelt unterschiedliche Akzentuierungen im Lauf der Zeiten. So hängen da Defregger und Waldmüller neben Gustav Klimt und Tina Blau, Rottmayr neben Arnulf Rainer, Kolo Moser neben Maria Lassnig.
Am Belvedere ist auch viel Provenienzforschung betrieben und die Zeit des Nationalsozialismus pingelig aufgearbeitet worden. Gerade für diesen Abschnitt bieten sich höchst aufschlussreiche Einblicke, wie politisch motiviert das Bildersammeln sein kann.
Da steht eine kleine Bronzestatuette, eine Athena in heroischer Haltung, von dem Nazi-Künstler Karl Albiker. Dahinter ein aufrüttelndes Ölbild der ins Exil gegangenen Lilly Steiner, die in ihrer Composition baroque 1938, also im Jahr des Anschlusses, sich selbst als Maria in ein apokalyptisches Ambiente setzte. In unmittelbarer Nachbarschaft Bilder von Friedl Dicker-Brandes und Fritz Schwarz-Waldegg, die beide im KZ umkamen, aber auch eine Marmor-Porträtbüste von Wilhelm Furtwängler von Fritz Behn. Da waren sozusagen die von den Nationalsozialisten geheiligten „Gottbegnadeten“ untereinander.
Mit einem Deckengemälde-Entwurf von Hans Makart wird daran erinnert, dass Hitler diesen Künstler ganz besonders schätzte. Darüber redet man eher nicht in Österreich. Ein Liegender weiblicher Akt von Lovis Corinth kam als „entartete Kunst“ über Friedrich Welz' Vermittlung in die Sammlung, die nun schon Österreichische Galerie hieß. Das Werk wäre ein klassischer Restitutionsfall, wären Nachfahren der ursprünglichen Besitzer bekannt.
Von Herbert Boeckl stammt ein Gemälde jenes Bruno Grimschitz, der von 1938 bis 1945 die Sammlung im Belvedere verantwortete. Er war wohl einer der übleren Nazi-Kulturbonzen. Boeckl kannte ihm vom gemeinsamen Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg an der Italien-Front. Entlarvend ein Schreiben von Grimschitz ans Ministerium, in dem er rechtfertigt, warum im Belvedere damals immer noch, entgegen der Nazi-Ideologie, Kunst französischer Meister hängt: Sie zu entfernen gehe nicht, weil „keinerlei, auch künstlerisch geringerwertiger Ersatz zur Verfügung“ stünde.
Es fehlt nicht an Leichen im Keller. Etwa eine Dolfuß-Bronzebüste von dem politisch „anpassungsfähigen“ Bildhauer Gustinus Ambrosi, oder ein Bronzerelief Perseus mit Medusenhaupt von Josef Thorak. Welcher Teufel mag wen bewogen haben, dieses Werk 1980 (!) für die Österreichische Galerie anzukaufen?
Unterdessen geht man entschieden bewusster um mit inkriminierten Künstlern und ihren Werken. Klimts Porträt der Adele Bloch-Bauer war der weitaus prominenteste Rückgabefall – und dieser hat den polnischen Maler Marcin Maciejowski zu einem Cartoon-artigen Bild-Kommentar gereizt, jenseits der eigentlich einzufordernden politischen Correctness.
Aber das mit der Korrektheit ist ja auch so eine Sache. Einige Museumsleiter sind zu hochwertigen Porträts gekommen. Ein Schelm, der annimmt, dass sich die betreffenden Künstler ihnen auf diese Weise anbiedern wollten.